Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 42/2014
Liebe Frau Andrea,
vermehrt entdecke ich in der Stadt die handschriftliche Aufforderung „Google Chemtrails“. Es steht auf Plakaten, an Häuserwänden, Elektrokästen. Aber ich werde den Teufel tun, und googeln. Ich frage lieber Sie. Wissen Sie Bescheid?
Grüße aus Elfhundert,
Phillip Feyerl, per Mail
Lieber Phillip,
zunächst darf ich Ihre Sichtungen zu den besagten Graffti bestätigen. Die meisten davon wurden mit dickem schwarzem Filzstift oder farbiger Fettkreide appliziert. Auch stammen sie augenscheinlich nicht aus gleicher Hand. Ihre Evidenz ist auch nicht auf Wien beschränkt, auch im slowenischen Maribor gibt es Aufforderer – dort allerdings wird der Slogan gesprayt. Es scheint also mehr als eine Person im öffentlichen Raum mit der Verbreitung der Aufforderung beschäftigt zu sein. Das deckt sich mit der Wahrnehmung einer wachsenden Zahl von Webseiten, die sich unter Zuspruch einer besorgten Community von Postern mit dem Phänomen “Chemtrails” beschäftigt. Damit werden Kondensstreifen malefiziert, die in zunehmender Zahl am Himmel geortet werden. Bedenkenswert ist den Chemtrail-Observanten die Häufung der parallelen Abgaswolken, ganz böse ist das netzartige Überkreuzen der Jet-Streifen. Im Rahmen der Verschörungstheorie, die den Chemtrail-Geängstigten am Herzen liegt, werden hier von geheimen Mächten (der US-Regierung, den Bilderbergern, den Illuminaten, den Freimaureren, den Protagonisten der Einführung einer New-World-Order) Chemikalien in den Himmel gesprüht. Wahlweise soll damit das Wetter durch Regeninduktion manipuliert, die Erderwärmung durch Verwolkung hintertrieben, das Trinkwasser vergiftet, die Landwirtschaft monsantofiziert, die Zeugungsfähigkeit der Bevölkerung reduziert und (ganz ganz böse): die Gehirne Betroffener manipuliert werden. Im Rahmen verschwörungstheoretischer Wirkmechanismen verhallen alle Beteuerungen der Wissenschaft, es gäbe auch nur ansatzweise Grund für die angeführten Befürchtungen. Aber sagen Sie das mal einem Paranoiker: Er gäbe keinen Anlass für Paranoia. www.comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina