Das Mittel aller Mittel

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 14/2014
Liebe Frau Andrea,
in einem Buch, dessen Titel ich vergessen habe, wird eine mittelalterliche Allheilmedizin erwähnt, deren Namen ich vergessen habe. Seit Jahren zermartere ich mein Hirn. Angeblich (meine Freundin behauptet dies) kommt es sogar in einem Mickymausheft vor. Ich bin verzweifelt. Jede Suche war bisher vergebens. Was könnte das sein?
 
Albin Steinberger, per NSA-Archivalie
Lieber Albin,
das Aufspüren verschollener Gedächtnisinhalte Unbekannter gehört zu den schwierigsten Übungen, denen sich diese Kolumne unterwerfen kann. In vorliegendem Fall dürfen wir jedoch zuversichtlich sein, Licht ins Dunkel ihrer Verzweiflung zu bringen. Beim Zaubermittel, dessen Namen Ihnen entfallen ist (und dem Dagobert Duck im Lustigen Taschenbuch Nr. 33 nachjagt) dürfte es sich um Theriak handeln. Die Arznei wurde schon in der Antike zusammengemischt und galt ursprünglich als Gegengift gegen Schlangenbisse. Ein möglicher Ursprung seines Namens kommt von einer seiner wirkmächtigsten Zutaten. Im Persischen und Turkmenischen bezeichntete Teriak oder Theriaak die aus dem Mohn gewonnene Substanz Opium. Eine andere Etymologie leitet Theriak vom griechischen Wort therion, wildes Tier ab. Die Zusammensetzung des Mittels wurde schon in der Antike immer komplizierter, bereits Galen beschreibt eine Rezeptur mit 70 Zutaten. Kaiser Nero suchte sich mit Theriak vor Giftanschlägen zu immunisieren, im Mittelalter wollte man mit der “Himmelsarznei” gar Syphilis, Cholera und Pest behandeln. Die bedeutendste Fabrikation für Theriak befand sich in Venedig. Die Zubereitung des Venezianischen Theriac wurde mit großem Pomp als öffentliche, mehrtägige Zeremonie in Anwesenheit höchster Autoritäten begangen. Die Pharmacopoea Germanica zitiert noch 1882 eine Rezeptur für Theriak: Man nehme 1 Teil Opium, 3 Teile spanischen Wein, 6 Teile Angelikawurzel, 4 Teile Virginenhohlwurzel, 2 Teile Baldrianwurzel, 2 Teile Meerzwiebel, 2 Teile Zitwerwurzel, 9 Teile Zimt, 1 Teil Kardamom, 1 Teil Myrrhe, 1 Teil Eisenvitriol sowie 72 (!) Teile Honig. Falls sie von Privatmischkulanzen und dem harmlosen Theriak-Abkömmling Schwedenbitter Abstand nehmen möchten, empfähle sich Theriak für Arme. In ruralen Kreisen galt er seit jeher als Allheilmittel: Der “Bauerntheriak” Knoblauch.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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