Österreichische Sportarten: Die soziale Bewegung

Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 28.03.2014.

Es war einmal. Es war einmal eine soziale Bewegung. Sozial hieß sie, weil sie sich um den Sozius kümmerte, den Kumpel, den Genossen, den Bürger. Bewegung hieß sie, weil sie nicht stillstand, nicht verharrte, nicht wich, nicht wankte. Kümmern hieß, als es noch Bewegung gab im Sozialen, Kummer zu haben mit anderen, Kummer zu haben ob ihrer Sorgen, Kummer zu haben ob jeglichen Leids. Kummerln sagte man, als es die soziale Bewegung noch gab, sehr gern zu den Kommunisten und man meinte es nicht gut. Der weibliche Kumpel, die Genossin, hätte übrigens Sozia geheißen, nur dachte damals noch niemand so weit. Heute denkt man noch weniger weit, heute soll das Verweiblichte wieder abgeschafft werden. Die Direktorin, die Doktorin, die Architektin, die Philosophin. Es mache zu viel Mühe, sagt die Kommission zur Vereinfachung, sich mit weiblichen Endungen herumzuschlagen, sie empfiehlt das Ende des Weiblichen. Zumindest im Öffentlichen. Direktorinnen, Doktorinnen, Architektinnen, Philosophinnen, sie sind zu mühsam, schon das Nennen ihrer Berufe ist zu mühsam. Es dauert zu lang, sie aufzuschreiben, zu lesen, sie auszusprechen. Direktorinnen, Doktorinnen, Architektinnen, Philosophinnen behindern die Ökonomie. Sie sollen raus aus der Öffentlichkeit. Sie sollen dorthin, wo sie herkamen, nach innen. Ins Haus, an den Herd. Sollen wieder die Wäsche waschen, das Hemd bügeln, den Hausschuh bringen, die Zeitung bringen, ähm, das iPad. Der Stärkere soll wieder über den Schwachen herrschen, der Reiche über den Armen. Nicht nur draußen, auch drinnen. Besonders drinnen. Denn wer draußen kein Herr sein kann, weil die soziale Bewegung darniederliegt, muss drinnen ein Herr sein. Dafür braucht es die Frau. Ohne Frau am Herd kein Herr im Haus.
Es war einmal eine Bewegung, deren Anliegen war es, das zu ändern. Für immer. Sie ist in die Irre gelaufen. Sie hat sich berauscht am Fusel der Macht. Hat gekostet vom reichen Sein, hat Gefallen gefunden und Verständnis und ist korrupt geworden. Sie liegt mit den Mächtigen im Bett, bügelt ihr die Hemden, bringt ihr die Zeitung, wärmt ihr den Schuh. Sie möge aufstehen, die soziale Bewegung. Es ist noch viel zu tun. Fast alles nämlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert