Das Loch

Für meine ‚illustrierte Kolumne‘ in den Salzburger Nachrichten Wochenende vom 16.11.2013, Seite VII.

Es ist jetzt doch nicht so groß wie ursprünglich befürchtet. Das Loch. Das Budgetloch. Der grantige Michl, der Buagamasta von Wien, schwang sich überhaupt zur Diagnose auf, so etwas wie ein Loch existiere nicht. Es gebe von den Prognosen her eine Vorausschau, dass Ausgaben und Einnahmen auseinanderliefen. Mehr nicht. Aha. Kein Loch also, sondern ein Problem des Laufens. Des Auseinanderlaufens. Ein Problem der Bewegung, ein Verkehrsproblem. Kurt Tucholsky hatte einst die Definition der Angelegenheit geliefert, demnach ein Loch da sei, wo etwas nicht sei. Das hilft uns insofern nicht weiter, als ein Loch, so gedacht, auch da ist, wo keines ist. Das hat der Bürgermeister gemeint! Und er war nicht allein mit der Entlochung des Lochs. Kaum hatten die einen Experten das Loch ausgerufen, traten andere auf den Plan, die das Loch schrumpften. Zusätzliche Verwirrung stiftete die Berechnungsmethode der Lochgröße. Nahm man den Blick auf die nächsten fünf Jahre, wuchs das Loch. Betrachtete man einen kleineren Zeitraum, wurde es kleiner. Das Tagesloch ist, richtig berechnet, kaum der Rede wert. Hand aufs Herz! Das Loch ist nichts Schlechtes! Ohne Loch im Gesicht, wir nennen es Mund, könnten wir weder atmen noch essen noch über Löcher sprechen. Ohne zwei andere Löcher im Gesicht könnten wir ein Loch auch nicht sehen. Löcher sind in uns und das ist gut so. Löcher sind im Nudelsieb, gewiss kein schlechtes Ding, auf dem Golfplatz, in der Flöte. Ein großes Loch gar ist in der Konzertgitarre! Türen sind, topologisch gesehen, Löcher in der Wand, Fenster sowieso. Was täten wir ohne Schlüsselloch? Auch der Kosmos ist voller Löcher. In der Mitte unserer Milchstraße sitzt ein riesiges Schwarzes Loch. Es ist so groß und so massereich, dass es alles ansaugt, was in seine Nähe kommt. Es wird größer, indem es Nichtlöcher verschlingt. Böses Loch, würden wir Nichtahnende jetzt sagen, böse wie das Budgetloch! Keineswegs, antworten die Kosmologen und rechnen uns glaubhaft vor, dass es unsere Galaxis ohne Loch in der Mitte gar nicht gäbe. Ohne Galaxis kein Sonnensystem, ohne Sonnensystem keine Erde, kein Europa, kein Österreich, keine Regierung, kein Budgetloch.

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