Der Schalk im Nacken

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 49/2012
Liebe Frau Andrea,
neulich sassen wir im Kaffeehaus und diskutierten über diese und jenes und schliesslich über Jenseitiges. Die Konversation gipfelte schliesslich in der Erörterung des berühmten “Nackenkusses”. Den jemand jemand anderem einst unerwartet gegeben hatte und den zweiter jemand berichtet hatte. Es wollte uns nicht einfallen, wer da wen genackenküsst hatte. Jörg Haider André Heller? Prince Charles Dagmar Koller? Die Jazz-Gitti Thomas Bernhard?
Bitte helfen Sie! Tanja Gulder,
Internethausen, per Email.
Liebe Tanja,
Aus der Distanz der Unbeteiligten kann ich nur Mutmassungen über basiatische Begegnungen der angeführten Paare anstellen. Am wahrscheinlichsten schiene mir, gerade wegen der politischen Entfernung der beiden zueinander eine Zärtlichkeitsbekundung Haiders an Heller. Trotzdem wollten wir die Empathiefähigkeit der Hocharistokratie Soubretten gegenüber und jene von singenden Wirtinnen zu dichtenden Grantscherm nicht unterschätzen. Eine Tatsächlichkeit überstrahlt allerdings sämtliche unserer Mutmassungen über die Protagonisten des Nackenkusses aller Nackenküsse. Sie ist in einem, mittlerweile legendären Interview überliefert: “Er hat sich von hinten an mich herangeschlichen. Ich saß mit einem Besucher im Hotel Imperial. Plötzlich kam von hinten (…) an mich heran und küßte mich. Er war im „Richard“ gewesen und wollte mir gratulieren. Auch seine Frau sei ganz begeistert. Seine Tochter habe noch nie einen so guten „Richard“ gesehen. Er überschlug sich förmlich. Mein Gegenüber konnte es gar nicht fassen.” “War Ihnen das angenehm?” will der Interviewende wissen. Das Nackenkußopfer gibt zu Protokoll: “Was sollte ich machen? Es war eine Vergewaltigung.” Das Interview erschien am 26. Mai 1988 mit dem Titel „Ich bin ein Sonntagskind“ in der ZEIT und schlug hohe Wellen in Staat, Feuilleton und am Sonntagstisch. Fragend beiteiligt war der berühmtberüchtigte Münchner Journalisten- und Prominenten-Interviewer Andre Müller. Als Geküssten dürfen wir den deutschen Regisseur und ehemaligen Burgtheaterdirektor Claus Peymann identifizieren und als Oskulator den damaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim. Der dementierte die Angelegenheit zeitlebens.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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