Die Hand an der Stirn

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 48/2012
Liebe Frau Andrea,
ich bin eigentlich keine Schwachmatikerin, aber auf manchen steilen Strassenabschnitten Wiens komme ich ordentlich ins Keuchen. Neulich musste ich sogar absteigen. Just in diesem Moment fuhr an mir ein Sport-Bobo mit seinem Superrad vorbei. Scheinbar mühelos. Er grinste mich an und hielt die rechte Hand an die Stirne. Was wollte er mir damit sagen?
Ihre ratlose Bettina Mager,
Neubau, per Email.
Liebe Bettina,
die Stirne hat sich besonders unter Verkehrsteilnehmern als nonverbale Kommunikationsplattform für Direktinsulte etabliert. Auf der Hauptfassade des Gesichts wird der Vogel gezeigt und verschiedene Formen des Plem-Plem-Klopfens. Auch die “Face-Palm”, das Aufschlagen der geöffneten Hand auf Stirn und Gesicht gehört zu diesem Zeichensystem. Bei abgespreizten Männerfingern ist immer an Hörner oder Penisse zu denken, und damit an machoide Virilitätsbezeugung. Die von ihnen beobachtete Geste hat aber auch alphabetischen Charakter. Der rechtwinkelig zum senkrechten Zeigefinger abgespreizte Daumen bedeutet den Buchstaben “L”. Als er noch nicht vom Veloziped-Thron gestürzt war, hätte man noch an den siebenfachen Tour-de-France-Sieger “L” wie “Lance” Armstrong als Urheber der “L”-Geste denken wollen. Ganz falsch ist der Verdacht nicht, kommt doch das Stirn-L tatsächlich aus dem anglosächsischen Sprachraum. Dort steht es für “Looser”, Verlierer. Aus Gründen der Lesbarkeit sollte das “L” mit der rechten Hand ausgeführt werden. Erstmals gesichtet wurde das “L” in den US-amerikanischen Filmen “Ace Ventura: Pet Detective” und “The Sandlot”. Grosse Verdienste um die Verbreitung des Verlierer-Buchstabens im Strassenverkehr macht sich allerdings ein Engländer: Jeremy Clarkson, provokant-schnoddriger Moderator der weltweit erfolgreichen britischen Benzinsendung “Top Gear”. Keine Sendung, in der ein Vergleich zwischen Automobilen oder den Fahrkünsten von Clarkson und seiner Mitmoderatoren Richard Hammond und James May nicht mit dem Looser-Handzeichen für den Verlierer beendet wurde. Zurück zu ihrer Begegnung mit dem Wiener Bobo-Armstrong. Als Abwehrgeste empfehle ich das internationale Zeichen “so gross ist dein Ventil”, ausgeführt ebenfalls mit Zeigefinger und Daumen.
www.comandantina.com dusl@falter.at

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