Niemands Herr und niemands Knecht

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 17/2012
Liebe Frau Andrea,
seit Jahren spukt mir der Spruch „Niemands Herr und niemands Knecht, das ist der … Recht!“, den ich irgendwo gelesen hatte, im Kopf herum. Leider habe ich mir nicht gemerkt, wessen Recht hier gemeint ist und meine Versuche, das heraus zu finden, scheiterten bisher kläglich. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, dürfte es das Motto irgendeiner mittelalterlichen Bauerngemeinschaft gewesen sein. Vielleicht können Sie mir weiter helfen?
 
Herzlichst Hans Uhlik,
Ottakring, per Elektronachricht
Lieber Hans,
Spuk und Scheitern finden heute ein glückliches Ende. Der Spruch, der in Ihnen herumgeistert, ist tatsächlich das Motto einer Bauerngemeinschaft, sie prosperierte lange über das Mittelalter hinaus. Vollständig zitiert lautet er: „Niemands Herr und niemands Knecht, das ist künisch Bauernrecht!“ Der stolze Reim ist der Wahlspruch der heute nahezu in Vergessenheit geratenen Künischen Freibauern (tschechisch Králováci), einer Gemeinschaft großbäuerlicher süddeutscher Siedler-Familien, die im 12. und 13., vielleicht sogar schon im 11. Jahrundert damit begannen, die Wildnis des mittleren Böhmerwaldes zu kultivieren und sich um die Sicherung der Grenzen und Wege zwischen Bayern und Böhmen zu kümmern. Die Künischen (königlichen) waren als freie Bauern von der Leibeigenschaft und anderen hässlichen Frondiensten befreit und nur dem böhmischen König verpflichtet. Dieser gewährte ihnen zahlreiche Privilegien, wie die der Jagd, der Fischerei, das Recht Bäume zu fällen, Bier zu brauen und “Geist” zu brennen. Auch die Rechtssprechung lag in den Händen der Künischen. Das Gebiet der Künischen Freibauern bestand seit 1617 aus den acht Gerichten St. Katharina (Svatá Kateřina), Hammern (Hamry), Eisenstraß (Hojsova Stráž), Seewiesen (Javorná), Haidl (Zhůří), Kochet (Kochánov), Stadln (Stodůlky) und Stachau (Stachy). Im Zuge der allgemeinen Bauernbefreiung 1848 wurden ihre Privilegien überflüssig. Die Familiennamen der Künischen Freibauern lassen vage auf ihre Herkunft schliessen. Demnach stammen die Künischen ursprünglich aus Niederbayern, der Oberpfalz, aus dem Schwäbischen und dem Schwarzwald sowie aus dem österreichischen Waldviertel.
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