For Music ist dead

Dietmar Lausegger, 1950-2011
Nachruf von Andrea Maria Dusl
21.2.2011, erschienen im Falter

Es roch süßlich hier, nach den Lötstellen in den Verstärkerheads und nach dem Zucker in den heissen Kaffees. Lautlos schwebte man über Wiens grössten Spannteppich, an Verstärkern vorbei und Keyboards, elektrischen Gitarren und der Wall of Fame, vollgehängt mit den autographierten Fotos der großen Rockstars dieses Planeten. Es war für Österreichs Musiker das Geschäft der Geschäfte, das Innere, der Tempel. Alles hier drinnen war für Musik und so hiess der Laden auch: For Music.

Im For Music gab es keine Uhren, und wenn, habe ich nie eine gesehen, denn hier rann die Zeit in andren Bahnen. Der Boss hier trug sommers wie winters ein Hawaiihemd und hiess der Herr Ingeniör. Generationen von Musikern haben sich an den teichgrossen Scheiben seines Geschäfts die Nasen plattgedrückt, haben ihre Sehnsüchte an Strats und Paulas, Marshallhäfen und Hiwattkochern,  Moogs und Hammondorgeln, Martingitarren und Ludwigzeugln genährt und irgendwann einmal tatsächlich in Händen gehalten und noch irgendwanner dann mit dem Taxi nach Hause führen können. Oder mit der Strassenbahn, je nach Sparschwein.

Der Ingeniör hiess Dietmar Lausegger, er war Legende und er verkehrte mit Legenden. Er war ein leutseliger Mensch, pflegte den Spruch und hatte ein Herz für die kleinsten Sorgen. Bei grösseren schlug die Pumpe schneller und es konnte schon mal vorkommen, dass er nächtens mit dem Lötkolben ausrückte, wie ein Notarzt, um einen eingegangenen Verstärker auf einer Bühne irgendwo im Bauch von Wien wieder zum Glühen zu bringen. For Music. Für Musik begeisterte sich der gelernte Starkstromingenieur aus  Oberösterreich, hatte selbst Saxophon und Gitarre gespielt, war mit Hansi Lang in einer Band gewesen. Tausend Erzählungen gibt es zum For Music und täglich wurden es mehr. Eine handelt davon, wie es begann, wie der Rock erfunden wurde in Österreich, als Lausegger die ersten “echten” Musikinstrumente, die ersten brauchbaren Verstärker aus London herangekarrt hatte und direkt aus dem Bus heraus verkaufte. Klar, dass die Leute aus London, dort wo die “neuen Spielsachen” her waren, auf Lausegger zählen durften, wenn sie in Wien auftraten. Jimi Hendrix hat der Mann aus dem For Music “die Anlage gemacht.” Und hunderten anderen, weltberühmten wie neu gekommenen.

Alle waren sie da, es ist niemand bekannt, der nicht irgendwann einmal die Glastüre ums Eck von der Alserstrasse aufdrückte, in Sachen Musik. Im Keller unter dem Geschäft probten Teile der Mothers of Invention, an der Kaffeemaschine standen Ambros, Fendrich und Danzer, Eric Clapton verkehrte hier, Santana fragte hier nach Gitarren, Donovan war ein guter Freund des Hauses und Lou Reed ein Haberer und erst vor einem knappen Monat war Billy Gibbons von ZZ-Top hier und kaufte einen Verzerrer. Es gab Zeiten, da zählte das For Music zu den drei wichtigsten Musikgeschäften des Kontinents. Für die Musiker aus Wien war es das ohnedies, hier wurden sie mit dem Rock’n’Roll angesteckt. In meinem bescheidenen Fall war das ein schlichter Hinweis auf ein Konzert der lokalen Helden meiner knospenden Gitarristenjugend, der Schoitl AG, Helmut Bibls harte Burschen, sie trugen bodenlange Mäntel und Jimmy-Hammerl. Im For Music habe ich Plektren gekauft und Saiten und meinen ersten Verstärker. Hier habe ich zum ersten mal mit der Hand zärtlich über den Hals einer echten Les Paul gestrichen und als mein Selbstvertrauen und meine Licks es zuliessen, eine Doppelhalsgibson geschultert, um Stairway to Heaven anzustimmen. Sowas wird nie wieder sein. In der Nacht des 10ten Februar hat das Herz von Ing. Dietmar Lausegger aus Steyrling zu schlagen aufgehört.

Ein Gedanke zu „For Music ist dead“

  1. Habe mir dort in den späten 70-ern ein Gitarren-Lautsprecherchassis K130
    von JBL (heute Harman Kardon) gekauft. Das waren noch Zeiten.
    Hat damals ca. 4500 Schilling gekostet. Generell war professionelles
    Musik Equipment gemessen an den damaligen Einkommen viel teurer als
    heute.
    Mir komm vor, dass jetzt in Wien die „Klangfarbe“ im Gasometer im 3. Bezirk
    die Rolle vom ehemaligen „For Music“ übernommen hat.

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