Bankl reissn, Bock aufstön

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‚ in Falter 19/2010
Liebe Frau Andrea,
letztens habe ich mit Freunden den wunderbaren Film „Freundschaft“ angeschaut. Hauptdarsteller Erwin Steinhauer hat da gemeint, dass die Hofratswitwen ihr Geld dem Tierschutzverein vermachen bevor sie „a Bankl reiß’n“. Mich interessiert nun, woher der Ausdruck kommt. Ich bedanke mich schon jetzt für Ihre Antwort.
 
Mit besten Grüßen, Regine Bohrn, per Elektronachricht
Liebe Regine,
lange bevor Freundschaft verfilmt wurde, war der Stoff ein überaus erfolgreiches Kabarettprogramm, das die Autoren Florian Scheuba und Rupert Henning für das kongeniale Bühnenpaar Steinhauer/Henning verfasst haben. Erwin Steinhauer und Rupert Henning spielen im Film wie auf der Bühne Vater und Sohn aus sozialdemokratischem Haus und haben damit Zugang zu blumigen Begriffen aus dem Proletariat und aus bildungsferneren Schichten der ostösterreichischen Bevölkerung. Der Ausdruck “a Bankl reissen” (eine Sitzbank umreissen) gehört zum Standardrepertoire an Urwiener Ausdrücken für Sterben. Es kommt wie viele ähnliche Sprachbilder aus dem Rotwelschen, dem Sonderwortschatz der Fahrenden und Vaganten, der Bettler und Kleinkriminellen. Strenggenommen würde eine begüterte Wiener Hofratswitwe allerdings kein Bankl reissen, sondern maximal eine Ottomane werfen, eine Chaiselongue stossen oder schlicht von der Récamière fliegen. Kehren wir aber zum Rotwelsch-Wienerischen und seinem reichen Repertoire an Ausdrücken für den Exitus zurück. In Wien stirbt man nicht, man hupft in die Kistn, stöd die Patschen, die Bock und die Hammerl auf oder haut en Löffl weg. Man mocht a Eckn oder reisst a Brezn, springt ins Sackl (in den Anzug) oder ziagt in Hoizpyjama an. Man wird vom Banernen ghoit oder vom Quiqui und wird en Deife sei ersta Haaza (des Teufels erster Heizer). Auch der Suizid wird blumig beschrieben. Lebensmüde gebm si die Kugel, haun si ins Pendel und in Lichthof, schmeissen si ins Hangerl, drahn die Gas auf, gengan maukas (von jiddisch macho – ausgelöscht sein) oder foan ganz still und heimlich min Anasibzga – mit der Strassenbahnlinie 71 zum Zentralfriedhof.

www.comandantina.com dusl@falter.at

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