3Sat ::: Kulturzeit ::: Andrea Maria Dusl Portrait

Boboville-100.jpgWohlstand und Rebellion
Autorin Dusl knöpft sich die „Bobos“ vor

Wienzeilenbobovillain Ernst A. Grandits hat anlässlich meines Romans Boboville ein kleines 3Sat-Kulturzeit-Portrait über mich und meinen Kosmos gemacht. –> URL des 3Sat Textes.

„Bourgeois-Bohemiens“, kurz „Bobos“, nannte der Kolumnist der „New York Times“, David Brooks, eine neue soziale Gruppe, die scheinbare Gegensätze vereinbart: Wohlstand und Rebellion, Karriere und Hedonismus. Die Wiener Filmemacherin und Zeichnerin Andrea Maria Dusl nimmt in ihrem im Residenz Verlag erschienen Roman „Boboville“ die kleinen Welten der „Bobos“ liebevoll satirisch aufs Korn.

–> Hier der 3Sat-Boboville-Clip vom 12.6.2009 19:20h.

„Die Bobovillains errichten kleine neue Dörfer, weil sie das so gewohnt sind. Egal ob in Paris, in Berlin, in Barcelona oder in San Francisco, überall gründen sie kleine Dörfer, kleine Bobovilles“, glaubt die Filmemacherin und Zeichnerin Andrea Maria Dusl. „Bobo ist ein Amalgam aus ‚Bourgeois-Bohemien‘ und bezeichnet zwei Antipoden, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben. Es gehört zu den ‚Bobos‘ dazu, dass sie die Dinge gegen den Strich bürsten, dass sie permanent in einer inneren und äußeren Reisetätigkeit verfangen sind. Sie sind auch sehr mobil, geistig mobil, es ist ein Gegenentwurf zum Yuppie.“

Bobovilles: Dörfer in der Stadt

„Boboville“, das ist Andrea Maria Dusl und ihr Biotop. In ihrem gleichnamigen Roman erzählt sie aus ihrem Leben in „Boboville“. Dusls Berichte aus dem kreativen Alltag der „Bobos“ sind sprunghaft, assoziativ und sprachverliebt. Und zusammengesetzt aus „Bobovilles“ der ganzen Welt. Das Phänomen gibt es global. Sie kommen aus Dörfern und errichten in der Stadt neue Dörfer. Natürlich ist die Buchhändlerin des Vertrauens Gegenstand der „Boboville-Literatur“. „Anna Jeller sagte nichts, sagte nie: ‚Oho‘, oder ‚Dass Sie das lesen‘. Wir waren rituell per Sie: ‚Dass Sie das lesen!‘ Hunderte Male hätten wir einander das ‚Du-Wort‘ an die Jacke schmieren können, aber es war nie geschehen. Ich hielt es inzwischen für ein wertvolles Ritual, in der Bobovillebuchhandlung per Sie zu sein.“
(Andrea Maria Dusl: „Boboville“)

Andrea Maria Dusl hat auf alle Fragen eine Antwort

Andrea Maria Dusl ist Zeichnerin. In der „Bobo“-Wochen-Gazette „Falter“ illustriert sie Artikel und veröffentlicht darin auch seit 2008 ihre Endloszeichnung „Das Unendliche Panorama.“ Dort erscheint auch ihre Kolumne „Fragen Sie Frau Andrea“. Darin hat sie als Sprach-und Begriffsforscherin auf alle Fragen eine Antwort. Und Andrea Maria Dusl ist Filmemacherin. 2002 drehte sie mit Josef Hader und Detlev Buck „Blue Moon“, eine postkommunistische Liebesgeschichte voller Humor und Tiefgang.

„Facebook“ ist das schwarze Brett von „Boboville“. Und so werden die Dreharbeiten für die „Kulturzeit“, sie gilt hier als „Bobosendung“, sofort im „Facebook“ publik gemacht und von den Freunden kommentiert. Der Umgang mit der eigenen biografischen Lebensgeschichte ist in „Boboville“ spielerisch und entspannt. „Ich bin überzeugt, die einzigen Leute, die bei ‚Facebook‘ sind und sich dort wirklich die große weite Welt der Freundschaft erwarten, sind ein paar Provinzler, die das Internet entdeckt haben“, meint Dusl.

„Bobovillains“ sind Sammler und Jäger

„Bobovillains“ sind nicht nur internetaffin, sondern auch Sammler und Jäger. Immer auf der Suche nach ganz bestimmten Platten, ausgefallenen Filmen, angesagten Gadgets oder, wie Andrea Maria Dusl, auf der Jagd nach Gitarren in New York. „Das Gitarrengeschäft roch süßlich, nach der Lötpaste in den Verstärkerheads. Lautlos schwebte man über den Spannteppich, an Trommeln vorbei und elektrischen Gitarren. Im Gitarrengeschäft gab es keine Uhren, hier rann die Zeit in andren Bahnen. Der Boss nannte sich Herr Ingeniör. Um hier bedient zu werden, musste man eine eigene Lingo schieben. Gitarren hießen Geigen hier und Äxte und Verstärker hießen Häfen, es war schon eine seltsame Sprache.“
(Andrea Maria Dusl: „Boboville“)

Wichtig sind den oberflächenverliebten „Bobovillains“ die richtigen Plätze an denen man sich zeigt, abhängt oder Freunde trifft. „Das Phil, es liegt am Steilhang gegenüber vom Brennholzofengeschäft, ist eine Schattenabhänge. Eine Bar, ein Lampensalon, eine Teakmöbelschau, ein Nippestandler, eine Filmbuchhandlung, ein Plattenkleinhändler, ein Stadtgeschwindigkeits-verlangsamer. Im Phil kramt der Bobovillain in den Büchern und Filmen anderer Bobovillains. Larry David geht hier einkaufen. Und Hugo Wiener. Müsste er nicht Cissy Kraner treffen auf dem Schiff nach Bogota.“
(Andrea Maria Dusl: „Boboville“)

Sie haben keine Vorurteile, nicht einmal Urteile

Sie sind gut informiert, oberflächlich, widersprüchlich. Sie sind das Ungetane der Stadt, die Taumelnden, der Irrsinn. Was ist das Gute an den „Bobos“? „Ihre Nonchalance ist eigentlich etwas extrem Positives“, findet Andrea Maria Dusel. „Sie haben keine Vorurteile, sie haben nicht einmal Urteile. Sie nehmen die Welt wie sie ist, drehen sie auf die Unterseite und sagen: Der Tisch schaut ja von unten viel besser aus als von oben. Das machen sie auch mit gesellschaftlichen Zuständen. Es kann sein, dass sie in einer Ethnogegend leben und nicht zu den üblichen Ressentiments greifen, sondern das ganz cool nehmen.“ Ernst A. Grandits

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