Gott im Gruss

Liebe Frau Andrea,
hinter mir im Büro sitzt eine Serbin. Neben ihr ein Ire. Gleich anschliessend eine Schwäbin. Ein paar Meter weiter eine Irakerin. Der Ländermix ist spannend, das babylonische Sprachgewirr zum Abfetzen (ich empfehle, bei einer arabischen Tochter-Mutter-Konversation über nicht gezahlte Telefonrechnungen zu kibiezen). Eines haben anscheinend alle Nationalitäten bei uns in Österreich gemeinsam: Das „Grüss Gott”! Welche Institution unterzieht die fremdsprachigen Mitbürger einer derartigen Gehirnwäsche, dass sehr viele von ihnen das „Grüss Gott“ dermaßen verinnerlicht haben? Selbst der pakistanische Zeitungskolporteur am Schottenring hat es bereits drauf. Welche Theorie haben Sie ?
Mit freundlichen Grüssen, Armin Pfingstl, per Elektropost
Lieber Armin,
der betuliche Gruss der Katholiken soll das Kainsmal der Fremde bedecken. Nichtösterreicher lernen schnell, daß ein zischendes und schnalzendes “Gru Sgott” eine Teilimunisierung gegen das fremdenfeindliche Ressentiment bietet. Taxifahrer verwenden es und Kebapschnitter, Kolporteure und Pflegepersonal. Ungeachtet ihrer religiösen Grundorientierungen. Die Urform „Grüß Gott“ wurde im 19. Jahrhundert von der katholischen Geistlichkeit propagiert und hat sich in Süddeutschland, Österreich und Südtirol zum Standardgruss entwickelt. Das Wort „grüssen“ hatte ursprünglich die Bedeutung „segnen“ – katholifizierte Österreicher kennen die Wendung aus dem Gebet: „Gegrüßet seist Du, Maria…“. Aufgeklärte Atheisten wünschen generell einen “Guten Tag” und diese Wendung ist es auch, zu der selbstbewusste Nichtösterreicher mit gut entfaltetem Alltagsdeutsch früher oder später greifen.
www.comandantina.com dusl@falter.at
Für meine Kolumne ‚Fragen Sie Frau Andrea‘ in Falter 49/2007

Ein Gedanke zu „Gott im Gruss“

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