Wortsprech

Andreas-Khol.jpgLiebe Frau Andrea,
von mehr oder weniger wohlmeinenden Zeitgenossen werden einem gelegentlich Sprichwörter entgegen geworfen: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!“, „Trau, schau, wem!“ oder „Wer nicht hören will, muss fühlen!“. Wem fällt so etwas ein? Ist das der „Volksmund“, die „Volksseele“, die manchmal überkocht? Oder handelt es sich einfach um geschickte PR-Arbeit? Mit der Bitte um Aufklärung,
Ihr Gerhard Glattauer, Internet
Lieber Gerhard,
mit ihrem Fragenkatalog befinden Sie sich im aufklärerischen Lichte allerbester Gesellschaft. Schon der griechische Philosoph Aristoteles hat sich gefragt, woher die Sprichwörter kommen. Die Antwort ist so einfach wie schauerlich: Fürs geflügelte Wort sind seine Kollegen zuständig, die Dichter und Denker. Als Erfinder von Sprichwörtern wurden Kapazunder wie Luther, Shakespeare, Schiller und Goethe ausgemacht. Und auch weniger Begabte. Die Aphoristik, das Schmieden lauwarmer Denksätze ist eine eigene Disziplin, die in zyklischen Wellen über das lesende Volk herfällt. Momentan gibt es Ruhe im Elfenbeinturm, weshalb wir uns mit Sprichwörtern aus vergangenen Epochen herumschlagen müssen. Grosser Verdienste in der Paremiologie wollen wir die Lehrer rühmen, die in der Verbreitung auch der allerödesten Volksweisheiten grossen Aufwand betreiben. In dieser Tradition stehend sieht sich Altnationalratspräsident Andreas Khol, der aus seiner paremiographischen Privatsammlung schöpfend, den Satz: “Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit” unters Volk brachte. Nicht von ihm, aber auch nicht schlecht ist die lyrische Lüge: “Wenn’s der Wirtschaft gut geht, geht’s uns allen gut!”

www.comandantina.com dusl@falter.at
Für meine Kolumne ‚Fragen Sie Frau Andrea‘ in Falter 45/2007

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert