Tellerwaschen ist keine Kunst

Andrea Maria Dusl für ONE. 

Wer wollte nicht an den heldenhaften Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär glauben? Als goldener Boden für das Märchen gilt das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Zu Unrecht sagen Studien. Wer in den USA arm ist, bleibt in aller Regel arm. Der Aschenbrödel-Mythos vom fleissigen Aufsteiger ist nichts weiter als eine böse Phantasie.

Überprüfen wir ihn an Forbes’ jährlicher Milliardärsliste. Um zu den Obersten Zehn des Ultrareichtums aufzusteigen, sollten sie keine Frau sein, kein Saudi, kein russischer Oligarch und möglichst nicht an künstlerischen Begabungen leiden. Nicht mal Amerikaner zu sein, ist ein Erfolgsrezept. Unter den zehn reichsten Menschen der Welt ist keine einzige Frau und nur drei Dagoberts sind Amerikaner. Österreicher tummeln sich dort keine. Sogar der reichste Russe, Oligarch Roman Abramovich (Nr. 16) rangiert mit 13 Milliarden dickem Portemonnaie schon unter den Ärmeren der Allerreichsten. Immerhin ist die reichste Frau, Liliane Bettencourt (Nr. 12) reicher als der reichste Saudiprinz, Alwaleed Bin Talal Alsaud (Nr. 13). Ach ja, Künstler sollten sie auch nicht sein. Eventuell Hobbytenor. Wie Silvio Berlusconi.

Kaufhauskönigin Heidi Horton, reicher ist in Österreich niemand, spielt mit bescheidenen 2,34 Milliarden Euro nicht mal in der Liste der superreichen Frauen eine große Rolle. Österreichs Reiche sind global gesehen arme Schlucker. Wohlhabend waren sie entweder immer schon oder sie begannen als Kleinhändler wie Billa-Magnat Wlaschek. Arbeiterkinder können aber immerhin Bundeskanzler werden und Bauernbuben Finanzminister. So ein Bruttonationalprodukt ist ja auch ein schönes Spielzeug. Gut heiraten ist auch keine schlechte Idee.

39 Milliarden Euro ist der Softwaresalomon Bill Gates schwer. Hat der reichste Mann der Welt als Tellerwäscher angefangen? Nein. Billie III. hat sich nicht in schwimmenden Essensresten auf den Reichtum vorbereitet. Daddie war wohlhabender Anwalt, Mutter und Großvater jobbten in der Bank. Als Vorstand und Präsident. Was ist mit Nummer Zwo, Philantrop Warren Buffet? Der Investmentkrösus ist schon im zarten Alter von elf Börsenspekulant im väterlichen Broker-Business. Möglich, dass er die Tortenbrösel von den Kindergeburtstagstellerchen gewischt hat. In einer billigen Küche war das nicht.

Vielleicht ist der 33,8 Milliarden schwere mexikanische Telekommunikations-Fugger Carlos Slim Helú ehemaliger Tellerwäscher? Mitnichten. Die ersten dicken Pesos und fetten Dollares verdient schon sein aus dem Libanon eingewanderter Vater als Großhändler und Immobilienmakler in Downtown Mexico City.

Tellerwaschen bringt es also nicht. Aber Zündholzverkauf vom Fahrrad aus. Damit beginnt der mit 23 Milliarden Euro reichste Europäer seinen unheimlichen Aufstieg. Ingvar Kamprad aus Elmtaryd bei Agunnaryd (IKEA) beginnt Bretter zu hobeln, die man daheim zu Möbeln zusammenschrauben muss. Wir lernen: Tellerwaschen – schlecht, Kleinholzvertrieb – gut.

Hat der Sunnyboy unter den Milliardären mit Tellerwaschen begonnen? Der indische Stahl-Augustus Lakhshmi Mittal dirigiert sein 22,7-Milliarden-Imperium von London aus. Klein angefangen hat allerdings sein Vater. Das Glück für die umfangreiche Familie aus der bescheidene Händlerkaste der Marwari Aggarwal liegt nicht im Tellerwaschen sondern im väterlichen Stahlkochen. Dass Papa mit Söhnchen viel vor hat, beweist die Namenswahl: Lakshmi, die Hindu-Göttin von Glück und Schönheit ist Spenderin von geistigem Wohlbefinden und Harmonie, von Überfluss und Reichtum. Bingo. Tellerwaschen führt nicht zu Reichtum, wohl aber das Tragen eines günstigen Vornamens.

Ein Superreicher mit wirklich bescheidenen Wurzeln Textilmagnat Amancio Ortega, mit 17 Milliarden Euro reichster Spanier. Er beginnt als T-Shirt-Verkäufer. Märchenhaft aschenbröselig seine Herkunft: Vater Ortega war noch Eisenbahnarbeiter. Auch der Chinese Li Ka-shing, 16 Kilomillionen auf der hohen Kante, hat es nicht einfach gehabt. Li stellt sich in der Plastikfabrik täglich 16 Stunden ans Fliessband und arbeitet sich hoch. Mit einer eigenen Kunststofffabrik legt er den Grundstein für seine Milliarden. Wir lernen: Besser Plastik rühren als Porzellan waschen.

Österreichische Talentierungen wie Schifahren und Trällern sind kein Ticket in die Obere Einhundert-Liga. Auch das Abfüllen von Energiedrinks, das Schleifen von Kristallsplittern oder das Führen einer Kaffebohnenbank führen nur zu bescheidenen Rängen im Club der Ultrareichen. Aber immerhin kann man es mit Eisenpumpen zum Gouvernator von California schaffen. Ganz ohne Tellerwaschen.

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