Nur Landen ist schöner

Für STANDARD Rondo. Ungekürzte Version.

Flugsimulator-A320-Halle.jpgIn einem blank geputzen Hochleistungshangar steht Wiens erster und einziger Flugsimulator. Vergessen wir die laptopbasierten Flugkanzeln, Playstation-Cockpits und andere aviatischen Heimtrainer, das hier ist das wirkliche Ding. Das Ding ist halb so gross wie mein Badezimmer aber doppelt so lustig. Die Piloten, die hier ihre Flugberechtigungen auffrischen, schwitzen in der engen Kiste Blut und Wasser. So mancher hat hier auch in Tränen gebadet. Wer in der Trainingsschachtel durchfällt, darf unter Umständen nie wieder ein Verkehrsflugzeug pilotieren.

Die weisse Metallkiste in Gebäude 974 der Austrian Airline Basis am Vienna Airport kostet soviel wie 36 Ferraris und bewegt sich dennoch nicht einen Zehntelmillimeter vom Fleck. Das schihüttengrosse Simulatorhäuschen steht auf sechs hageren Hydraulikbeinchen. Zickzack aufgestellt können sie den Kasten in jede nur erdenkliche Richtung neigen, rütteln oder stossen. Dicke Kabelstränge und Luftschläuche führen an Bord. Über eine schmale Zugbrücke lässt sich der Flusimulator entern.

Es ist dunkel und auf eine erotiserend technische Art behaglich in der engen und mit Knöpfen und Instrumenten vollgeräumten Kanzel. Bis auf die Fenster und die schwarzen Lederflächen der Sitze scheint es hier keine Handbreit zu geben, die nicht von Schaltern, Reglern und leuchtenden Kleinbildschimen eingenommen wird. Wir sind zu fünft an Bord. Ein Telekom-Schurno, die Konzernsprecherin vom Supermarktimperium, der Redakteur eines Frauenmagazin, der Herausgeber des nichtvegetarischen Bobo-Magazins und icke, die Multi-Kirtag-Maus. Fünf aviatische Dilletanten und Robert Oberleuthner, unser Instruktor, ein wirklicher Pilot.

Der Airbus A-320, in dem wir uns befinden, ist virtuell. Und auch wieder nicht, denn jeder Schalter hier ist echt lässt sich bedienen. Sogar die Abnützungsspuren an Hebeln und Griffen sind real. Das tiefe Grollen der Triebwerke, das monotone Rauschen der Klimaanlage kommen vom Computer. Die Bewegungen, die uns die nächste Stunde durch Sonne und Mond schicken werden, von den Bewegungen der Simulatorkabine auf seinen Hydraulikstelzen. Die Aussicht aus den Cockpit-Fenstern geht auf eine parabolisch gekrümmte Leinwand, auf die drei Projektoren eine nahtlose Aussenwelt projizieren. Unser Blick geht auf den Schwechater Flughafen mit seinem verdrehten Turm, die beiden Terminalschnecken, und vor uns auf kilometerweit Beton, Lichter und verbranntes Flughafengras.

Es gibt vier Sitzplätze in diesem Apparat, zwei Pilotenstühle, einen Klappsessel an der Cockpitrückwand und zwei Besucherstühle etwas weiter hinten im Raum. Hier sitzen die Prüfer. Neben dem einzigen cockpitfremden Instrument. Auf dem berührungssensitiver Bildschirm werden die Katastrophen eingestellt. Triebwerksausfall, Brand in der Kabine, verschneite Landebahn auf den Malediven, Aquaplaning in Kairo, verlorenes Bugrad über dem Atlantik, Rauch in der Kabine, Leck im Tank, Eurofighter von rechts, durchgeschmorte Elektrik.

Flugsimulator-A320-Cockpit.jpgFür uns fünf Dünnluftmatrosen werden in wenigen Minuten schon die allersimpelsten Flugmanöver nach SOS schmecken. Zwei von uns bekennen Playstation-Flug-Erfahrung und schwingen sich behände in die beiden Pilkotensitze. Kurzes, schnappatmiges Memorieren des Startvorganges. Klar, dass das hier ein Schönwetterstart werden wird.

Gesteuert wird unser Airbus mit Händen und Füssen, im wesentlichen aber mit einem stinknormalen Joystick aus Billigsdorfer Plastik. Nun ja. Mit sowas hat die junge Generation der Piloten ihre Kindheit verbracht. Der mundane Grund für den Kunstoffknüppel: Modernes Fluggerät sendet die Steuersignale nicht mehr per Seilzug, sondern elektronisch an die Ruder.

Das Simulator-Vorleben unserer Boys von der Playstation-Fraktion macht sich bezahlt, die beiden bedienen brav und in der richtigen Reihenfolge ihre Hebel, enormer Schub drückt uns in die Sitze, die Landebahn verjüngt sich auf einen dünnen, unter uns gallopierenden Pfad und nach langen, holprigen Augenblicken zieht uns der Mann vom Frauenmagazin hochnäsig in die Schwechater Luft. Ein Traumstart. Kein Seitenwind, kein Wölkchen über der Stadt. Wir kurven elegant über Wien und gewinnen an Höhe. Im richtigen Leben würde man jetzt den Autopiloten beauftragen, die Gurte lösen und einen Kaffee bestellen. (Verschütteter Bohnensaft in Cockpitinstrumenten führt übrigens nicht zu Abstürzen.)

Noch über der Erörterung dieses Kabinenunfalls bleibt das Flugzeug in der Luft stehen. Wie von Götterhand gestoppt, schwebt es schwerelos im Himmel über Schnitzelstadt. Die Götterhand gehört Robert Oberleuthner, der das Simulatorprogramm auf Sinkflug einstellt, um eine Landung vorzubereiten. Flappen raus, Schub zurück, Nase leicht hinunter, Räderbeine raus, den Seitenwind mit Kurven austarierend senken wir uns dem winzigen Strich entgegen, der einmal zu unserer Landebahn werden wird.

57 Tonnen sind verdammt träge, das ist kein wendiger Audi, der mal kurz über die A2 gejagt wird. Der Mann vom Frauenmagazin ist nicht nur Damenversteher, er hat auch ein Händchen für landendes Alu. Er bringt den Vogel tatsächlich runter. Landungsklatscher hätten schon längst in die Hose gemacht, so holpert unser Shakehand mit der Piste. Aber wir leben, das Ding ist ganz geblieben.

Leuten mit Flugangst, also Leuten wie mir, muss ein Flug im Simulatior dringend empfohlen werden. Kein Luftloch, in dem ich noch nicht gestorben wäre, kein ruckelnder Start, an dem noch nicht mein Lebensfilm abgelaufen wäre. Wie sich wirkliche Abstürze anfühlen, erfahren wir unter dem Käptn vom Telefonkonzern Aus 5000 Fuss die Kurve nicht mehr zu kriegen und in die endgültige Tiefe zu rattern, ist kein schönes Gefühl. Immerhin: Es geht ganz schnell.

Erst der Mann vom Bobo-Magazin bringt uns wieder heil nach Hause, über das gebrochene Bugrad wollen wir mal hinwegsehen. Die Chefsprecherin vom Supermarktkonzern setzt uns auch ganz unbeschädigt ab, velwechsert aber rinks mit lechts und pilotiert den gelandeten Airbus in die Wiese. Auch ein Erlebnis, das ich nicht missen möchte.

Selbst am Steuer steigt meine Ehrfurcht vor professionellen Aviatikern. Eine grosse Fuge an der grossen achtmanualigen Kirchenorgel könnte nicht komplexer sein. Auch mich hat die Erde bald wieder. Oder auch nicht. Links und rechts scheinen bei mir zwei unterschiedliche Orte zu sein, nicht jedoch oben und unten. Meine Landung wird nicht in die Geschichte des Landungsapplauses eingehen. Pilotin ist an mir keine verloren gegangen. Aber Flugangst habe ich zumindest keine mehr.


Der Traum vom Fliegen lässt sich verwirklichen: Flüge im Airbus A320-Full-Flight-Simulator kosten den Pappenstiel von 275 Euronen. –> Pro Toura Flight Events, Austrian Airline Basis, Gebäude 974, A-1300 Vienna Airport, Fon: +43 (1) 700 736 127, Fax: +43 (1) 700 736 129. info@protoura.at www.protora.at

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