metaphysics ::: Mythos

Erschienen in .copy 29/2006

James-Dean.jpgDer unsterbliche Porschefahrer James Dean ist einer, die Präsidentengeliebte Marilyn Monroe ebenso wie das sagenumwobene Troja, das mysteriöse Atlantis und die Katastrophe aller Katastrophen, die Sintflut: Mythen sind das Salz der Geschichte. Mythen handeln von Göttern und Unglück, Heldentum und Untergang.

Mythos ist ein altgriechisches Wort und heisst soviel wie Wort, Rede, Erzählung. Etymologisch gesehen kommt es aus einem indoeuropäischen Wortgruppe mêudh-, mûdh-, die das “sehnliche verlangen”, das “klagen” und ”erinnern” beschreiben. Mythos scheint so gesehen mehr mit dem schmerzhaften Erinnern an grosses Unglück als mit dem glorifizierenden Nacherzählen brav absolvierter Heldentaten zu tun zu haben. Ob gerade eben passiert oder aus den Nebeln der Vorgeschichte ausgebüxt, die Mehrzahl der Mythen handeln, wenn sie sich nicht mit der Erschaffung der Welt und der Genealogie von Göttern beschäftigen, von Tod und Katastrophen.

Eine exemplarische Katastrophe beschreibt der antike griechische Philosoph Aristokles, wegen seiner breiten Stirn Platon (griechisch für breit) genannt, im Mythos von Atlantis. Egal, ob sich in der Sage von der untergegangenen Inselzivilisation ein wahrer Kern verbirgt, oder nicht: Der Aufklärung der legendären Geschichte haben sich nicht nur seriöse Historiker sondern auch ein Heer von Obskuranten und Pseudowissenschaftlern verschrieben, die in die Atlantissage so ziemlich alles hineininterpretieren, was zwischen den Coverdeckeln eines Fantasy-Schundromans Platz hat. Während Althistoriker und Philologen überwiegend von einer Erfindung Platons ausgehen, die durch zeitgenössische Vorbilder inspiriert wurde, vermuten andere, oftmals nichtakademische Autoren einen realen Hintergrund der Geschichte und starteten unzählige Versuche, Atlantis zu lokalisieren. Die Ägäis-Insel Santorin, Kreta, Island, Helgoland, die Azoren, die Bahamas, Kuba, das Mexiko der Majas, ja selbst der ganze nordamerikanische Kontinent wurden schon zur Insel jenseits der Säulen des Herakles ausgerufen. Ob erfunden oder nur prima nacherzählt, Atlantis ist jedenfalls mit Maus und Mann untergegangen.

Darin ähnelt es frappant dem Überschwemmungsmythos aus einem anderen dicken Buch, der Bibel nämlich. Im ersten Buch Mose wird mit Sintflut eine große weltumspannende Flut bezeichnet, mit der der alttestamentarische Gott die Menschen für ihr sündiges Leben bestraft haben soll. Das Überflutungsunwetter soll 40 Tage und 40 Nächte gedauert und selbst den Ararat, den (damals) höchsten Berg der Welt mit Wasser bedeckt habe. Dem Kataklysma entkommen sei nur ein gewisser Noah, der auf göttliche Anweisung hin ein riesiges, Arche genanntes, Kastenboot gebaut hatte, das er mit Familie und Menagerie bestiegen hatte, um auf den Flutwellen trockenen Fusses bis auf den Berg Ararat zu surfen.

Nachkommen dieses Noah und seines überlebenden Grossvaters Methusalem sollen nach der Bibel wir alle sein. Also auch die beiden amerikanischen Geologen Walter Pitman und William Ryan, die wissenschaftliche Beweise für eine gigantische Überschwemmungskatastrophe im Schwarzen Meer gefunden haben.

Vor 7500 Jahren, so die sensationelle Entdeckung von Noahs Ururenkeln, war die Landenge zwischen Europa und Asien, der heutige Bosporus, eingebrochen. Eine Sturzflut aus Meerwasser ergoss sich mit der 200fachen Wucht der Niagarafälle aus dem Marmarameer ins Schwarze Meer, das damals noch 150 Meter tiefer lag und ein Binnensee war. Überreste von Noahs Zeitgenossen, bearbeitete Holzbalken und Gebäuderuinen hat derweil der Ozeanograph und Titanic-Entdecker Robert Ballard bei Tauchfahrten in 100 Meter Tiefe vor der türkischen Schwarzmeerküste identifiziert und damit einen der grossen Menschheitsmythen den Nebeln des Phantastischen entrissen.

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