Ode ans Handy

Mein erstes Handy, ein Ziegel von der Grösse eines Wecken Schwarzbrots. Es zirpte und hupte und auf seinem froschlaichgrünen Display konnte ich die unvorstellbare Menge von zehn Nummern abspeichern. Ein wehmütiger Bericht aus der Zukunft der Vergangenheit von Andrea Maria Dusl.

Erschienen in der Standard-Beilage Rondo vom 23.6.2006.

Holla-holla.jpgSchuld ist Captain Kirk. Der untersetzte Kapitän des Sternenkreuzers Enterprise hat mich angefixt.

Captain James Kirk liebte Ausflüge. Wie ich. Wenn den Captain die Ausflugslust juckte, stellte er sich in die Teilchendusche und liess sich auf den Planeten, den Mond, das vergammelte Klingonenschiff beamen. Und nie hatte er mehr bei sich, als einen kabellosen Phaser-Föhn und sein Handy.

Einen Föhn hatte ich schon. Das andere Ding wollte ich auch haben. Es war so gross wie ein Trszesnevskibrötchen, hatte eine Klappe wie das Notizbuch von Inspector Columbo und mehr Tasten als die Gegensprechanlage im Ringturm. So ein Ding wollte ich haben. Ein… ein… Mist, das Ding hatte keinen Namen.

Handy-Kindersarg.jpgHannes Androsch war da schon weiter. Hannes Androsch war in den siebziger Jahren sowas wie der Mister Spock eines gewissen Captain Kreisky, er hatte eine Dienstlimousine und ein mobiles Telefon. Ein Telefon, das nicht an Kabeln aus der Wand hing, das nicht von der spärlichen Erreichbarkeit einer Vierteltelefonnummer desavouiert wurde, ein Telefon aus der Zukunft, ein Autotelefon. Es hatte die Grösse eines Kindersargs und war nur mit dickem Mercedes drumrum erhältlich.
Also doch das von Captain Kirk.

Die Jahre liefen ins Land, Captain Kirk wurde feister, Hannes Androsch telefonierte weiter über den Kindersarg und bekam Probleme mit den Klingonen aus dem Profil, aus Kreisky wurde Sinowatz, aus Sinowatz ein Bankdirektor, aber das kleine klappbare Brötchen gab es noch immer nicht.

Auf den Strassen gab es gläserne Häuschen, in denen man telefonierte. Man warf eine Münze ein, die sich Telefonschilling nannte, und wenn eine Verbindung zustande kam, drückte man einen kleinen schmierigen Knopf.Den langen eckigen blauen Button hier unten klicken! Sonst müssen wir das Gespräch beenden.

Das war mobiles Telefonieren. Gläserne Häuschen, Telefonschilling, schwarzer Knopf, Hallo ich brauche ein Taxi in die… Türe auf, …Ecke dings… äh moment… äh… klick. tuut, tuut. Telefonschilling aus. Kein Taxi in die Pampa. Mobiles Telefonieren.

Handy-Knochen.jpgUnd dann irgendwann ging alles ganz schnell. Im staatlichen Rundfunk sprachen sie über das Einrichten eines Funknetzes für mobiles Telefonieren. Geräte, die sich in dieses Netz einwählen würden, gäbe es bald zu kaufen. Zu kaufen! Und von diesem Funknetz, wie sie sagten, würde man auch ins normale Netz telefonieren können. Ins normale Netz!

Mein erstes Handy war ein grau und es war aus Plastik und was die Grösse betrifft – Captain Kirks Trszesnevskibrötchen war es nicht gerade, es war, na sagen wir mal, ein Wecken Schwarzbrot. Der Wecken hatte eine ausziehbare Antenne und einen kleinen Bildsschirm. Das gefiel mir schon besser. Einen kleinen Bildschirm hatten die Kommuniktoren auf der Enterprise auch. Der Bildschirm hiess Display und hatte die Farbe giftgrünen Frosschlurchs. In der Bedienungsanleitung fanden sich Begriffe aus der Zukunft: Speicherplatz, Menüpunkt, Kurzwahlnummer, Ladezustand, SIM-Karten-Steckplatz. SIM-Karten-Steckplatz. Ein wunderschönes Wort. Captain Dusl, Ma’m wir haben Probleme mit dem SIM-Karten-Steckplatz. Schalten Sie um auf Teilchen-Kommunikation, Scottie. Und beamen sie mich rauf.

Handy-Ziegel.jpgMein Handy. Mein Handy? Wie hiesss das Ding überhaupt? Manche nannten den dunklen Wecken “Funktelefon”. Andere wollten wissen, es hiesse Mobiltelefon. Und die Schöpfer von Worten wie Event und Marketing brachten “Handy” in Umlauf. Ein fataler Sprachirrtum, wie man spätestens nach einer Amerikareise wusste.

Mein erstes Handy. Franz Vranitzky sass am Ballhausplatz, Wolfgang Schüssel trug noch grosse Brillen und bunte Mascherln und ich steppte die erste Nummer in mein erstes Handy. In grossen dunkelgrünen Computerziffern fädelte ich die Telefonnummer meiner Eltern auf den grüngelb beleuchteten Telefonbildschrim.

Aufgeregt zitternd bohrte sich mein Zeigefinger in die grüne Gummitaste mit dem Symbol eines schwebenden Hörers. Mit elektronischem Zirpen wählte sich der Wecken ins “Netz”, den unsichtbaren Handy-Äther, der wie eine löchrige dünne Wolke auf der Stadt lag.
Mein erstes mobiles Telefonat. “Hallo?” “Krächzkrächz!” “…Ja hallo?” “Krächzkrächzkrächz.” “Es bin ich. Ich bin es.” “Krächzkrächz.” “Zirzpirp.”

Bald hatten andere auch solch ein Handy. Schweizer nannten es Natel, und die Leute, die sich einen Ast lachten, wenn sie das Wort “Handy” für Telefon hörten, nannten die Gurken “mobiles” und “cellphones”.

Es wurde Zeit für das nächste neue Phänomen. Den Handywechsel. Davon wusste man zwar nichts auf der Enterprise, aber die wussten auch nichts von Marketingoffensiven und von Peer Group Pressure. Möglich, dass hinter meinem Handywechselwunsch auch die Klingonen steckten, jedenfalls brauchte ich jetzt dringend ein neues Handy. Dringend.

Mein zweites Handy sah aus wie ein Kurzwellen-Weltempfänger, den man mit einem Taschenrechner gekreuzt hatte. Die Klingonen hatte die Sängerin Madonna in einen Werbespot gebeamt und sie mit diesem ultraschicken Brötchen gefilmt. Fatal. Das Madonna-Handy musste ich haben.

Es war die Zeit der grossen Koalition. Die soziale Schere war noch nicht aufgegangen, wir hatten Geld wie Heu, das Madonna-Phone kostete soviel wie ein kleiner Sportwagen und die Bedienungsanleitung war so dick wie das Telefonbuch von Graz. 100 Nummern konnte man speichern. Der Akku hielt 7 Stunden. Und war in der verstörend kurzen Zeit von 24 Stunden frisch geladen. Ein Wunder der Technik! Mit dem Daumen drehte man am Rad und spulte sich durchs Freundemenü. Handyphonieren war Freizeit. Amtliches besprach man von einem Telefon.

Handy-Madonna.jpgDas Madonnaphone war so schick, weil es den Madonnabügel hatte. Der Bügel erinnerte an die Wangenmikros, ohne die Popstars in den 90ern keine wirklichen Popstars waren. Den Madonnabügel schnalzte man mit dem Daumen raus. Dann gingen die Lichter an. Das war schon was! Das hätte Captain Kirk gefallen.

Was wurde ich bewundert mit dem Madonnaphone! Wie modern hupte es, wenn mich wer am “Handy anrief”, wie man damals sagen musste, um hochmodern zu wirken. Das Madonnaphone lag stets dekorativ am Loungetable, am Abhängetresen, auf der angesagten Bar. Bis das Bier des Klingonen umfiel und mein erstes Handy ertrank.

Nie wieder sollte ich mir einen Nachfolger zulegen, der den Wert eines gepflegten Mittagessens überstieg.

Das hätten sogar der dicke Captain und sein langohriger Freund verstanden.


Zur Zukunft der Hanydphonie geht’s hier! Zumindest momentan.

Ein Gedanke zu „Ode ans Handy“

  1. Werte Frau Comandantina!
    In der derzeitigen Ausstellung „Summer of love“ in der Kunsthalle ist das „Mobile Büro“ von Hans Hollein aus dem Jahre 1969 ausgestellt (ein „pneumatischer Raum“). Das ist im Kontext heutiger Handy-Werbung („Mobile Office“) sehr schön anzuschauen.
    MfG,
    Jaromir Sbitek

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