Willi Resetarits und Gerald Votava ::: Die Hornisse ist der Star

WILLI RESETARITS und GERALD VOTAVA im Interview mit ANDREA MARIA DUSL und WOLFGANG KRALICEK.

Die Hornisse ist der Star“

Falter-41-2004.jpgWilli Resetarits und Gerald Votava machen gemeinsame Sache: Im Orpheum werden die beiden Künstler ab sofort jeden Sonntagmittag zusammen plaudern und musizieren. Mit dem „Falter“ sprachen sie über Menschen und Tiere, Udo Jürgens und Arik Brauer.
Nach zwanzig aufopfernden Jahren im Dienste des Rock ’n‘ Roll ist Willi Resetarits als Ostbahn-Kurti Ende des Vorjahres in Pension gegangen. Auch um Gerald Votava war es zuletzt eher ruhig geworden: Der FM4-Moderator, Hauptprojektleiter der Comedyserie „Projekt X“ und Freizeitgitarrist (Jolly Friends) hat sich hauptsächlich um seinen neugeborenen Sohn Wenzel gekümmert. Jetzt kehren beide Herren im Doppelpack zurück ins Rampenlicht: Im Kagraner Etablissement Orpheum hat am 10. Oktober ihre erste gemeinsame Show „Weil, warum?“ Premiere.

Resetarits, 55, und Votava, 33, treffen nicht zum ersten Mal zusammen: Bei den traditionellen „Krampusrummel“-Konzerten des Ostbahn-Kurti absolvierte Votava mehrmals Gastauftritte in verschiedenen Rollen (Nikolo, Osterhase …); umgekehrt war Resetarits am Heiligen Abend zweimal FM4-Studiogast bei Votava. „Da haben wir uns einfach ohne Vorbereitung hingesetzt und geredet“, erinnert sich Willi Resetarits. „Viele Menschen waren davon tief beeindruckt. Da hat man gesehen: Wir zwei zusammen, das hat was.“
Wenn es nach den Künstlern geht, soll „Weil, warum?“ zur Dauereinrichtung werden; geplant sind eine Herbst- und eine Frühjahrssaison mit langen Pausen dazwischen, damit’s nicht fad wird. Die musikalische Leitung liegt in den bewährten Händen von Roland Guggenbichler, dem Pianisten aus Ostbahn-Kurtis Kombo; als wissenschaftlicher Berater wurde Falter-Kolumnist Peter Iwaniewicz („Tier der Woche“) engagiert. Das Gespräch fand im Gasthaus Birner an der Alten Donau statt.
Falter: Am Sonntag hat „Weil, warum?“, die erste gemeinsame Show von Willi Resetarits und Gerald Votava, Premiere. Was darf sich das Publikum erwarten?
Willi Resetarits: Ich glaub, dass das eine Sensation wird, wenn wir zu zweit a Show machen. Nicht beim ersten Mal vielleicht, das muss sich entwickeln.
Willi-Gerald.jpgGerald Votava: Die Show ist ja für mehrere Jahrzehnte angedacht.
Resetarits: Ja, sie ist als Altersversorgung geplant.
Das heißt, dass man nicht unbedingt zur Premiere kommen soll?
Resetarits: Man muss zur Premiere kommen, weil da wollen wir uns ja vorstellen. Aber beim sechsten, siebenten Mal werden wir erst gut sein! Weil ja viele Jazzanteile dabei sind, sprich: Sachen, die man vorher nicht weiß.
Votava: Improvisation, nicht nur musikalisch.
Gibt es überhaupt einen vorbereiteten Text?
Resetarits: Es gibt Themen. Wir interessieren uns für schwierige Sachen, die wir selber nicht so genau wissen. Denen wollen wir nachgehen. Wir arbeiten permanent an der Welterklärung, und auf der Basis kann das Publikum dann zu Hause an der Weltverbesserung weiterarbeiten.
Die Show findet zu einem ungewöhnlichen Termin statt: Sonntag um ein Uhr mittags. Warum?
Votava: Das ist ein Termin, der in den letzten Jahren wieder frei geworden ist.
Resetarits: Ich hab im Radio um dieselbe Zeit drei Jahr lang „Trost und Rat“ gemacht. Und ich bin draufgekommen, dass der große Erfolg dieser Sendung möglicherweise auch mit dem Termin zu tun gehabt hat.
Und was machen Sie normalerweise am Sonntag zu Mittag?
Resetarits: Nix. Wenn ich im Dienst bin, sprich: Konzerte spiele, sind die Samstage die Termine, die am ersten weg sind. Jetzt musste ich einmal allen sagen, dass die Samstage nicht mehr zu buchen sind – damit ich am Sonntag halbwegs fit bin.
Das würden Sie körperlich nicht schaffen?
Resetarits: Da hab ich schon damals sehr gelitten, wie ich „Trost und Rat“ gemacht hab. Wenn du in der Nacht von Innsbruck heimfahrst …
Votava: Du betreibst ja auch eine sehr intensive Konzertnachbereitung. Dabei geht dann natürlich Energie für den nächsten Tag verloren.
Resetarits: Sagen wir so: Gleich nach dem Konzert z’sammpacken, schlafen gehen und heimfahren – dann scheiß i drauf, da hab i nix davon.
Votava: Ich glaub, dass die Mittagszeit eine sehr schöne Zeit ist. Es gibt ja die Tradition des Frühschoppens, nach der Kirche.
Und dann zur Mama an den Mittagstisch!
Resetarits: Ich kann mich noch an den Klassiker erinnern, dass die Kinder von der Mama geschickt werden, den Papa vom Frühschoppen zu holen. Und der Papa hat dann die Kinder mit Kracherl bestochen.
Welche Themen werden in der Show behandelt?
Resetarits: Wir beschäftigen uns zum Beispiel sehr stark mit Tieren. Insekten, die Schwarmforschung …
Votava: … Tiere, die jetzt an und für sich nicht so geschätzt werden. Um die Gelse oder die Zecke kümmert man sich ja viel weniger als zum Beispiel um das Meerschweinchen.
Resetarits: Ein Thema könnte zum Beispiel sein: die Zecke als Cashcow der Pharmaindustrie.
Und welche Rolle spielt „Falter“-Kolumnist Peter Iwaniewicz dabei?
Resetarits: Der hat einen kleinen Diensttisch mit einem Dienstsesserl. Und weil wir goschnmäßig ja nicht zu bremsen sind, kriegt er eine Glocke, mit der er Einhalt gebieten kann, wenn wir zu stark in die Spekulation reinkommen, wie das mit den Tieren sein könnte.
Votava: Er hat, soweit ich informiert bin, ein Mittelquartheft, in dem das gesammelte Wissen drinnen steht, zumindest was Tiere betrifft. Das dürfte so ein schlaues Buch sein, wie es Tick, Trick und Track gehabt haben. Oder glaubst, der weiß das alles von selber?
Resetarits: Wir werden auch Tiere auf der Bühne haben. Aber in Transportkisten, in die man nicht reinsieht.
Der letzte große Sonntagsentertainer war Heinz Conrads mit seiner Radiosendung „Was gibt es Neues?“ – ein Vorbild?
Resetarits: Das ist aus einer anderen Zeit. Das war von einer Harmlosigkeit, die man sich heute so nicht vorstellen kann. Trotzdem ist es als angenehm empfunden worden.
Sie sind schon oft in Rollen aufgetreten. Wird das auch bei „Weil, warum?“ ein Element sein?
Votava: Es kann sein, dass wir uns dieses Stilmittels bedienen, wenn es die Show verlangt. Und das wird sie.
Resetarits: Der Gerald wird sich zum Beispiel als Hornisse verkleiden, eine sprechende Hornisse darstellen. Und ich werde das natürlich nicht glauben, weil a Hornisse ja ned sprechen kann!
Was haben Sie für Erfahrungen mit Hornissen gemacht?
Resetarits: Der Sound ist so arg! Ich hab in einem Haus im Waldviertel gewohnt, wo es ein sehr reiches Insektenleben gab. Da hast du die einzelnen Insekten dann schon akustisch auseisnander halten können. Und der absolute Star war die Hornisse.
Votava: Die Hornisse ist quasi der Porsche in der Insektenwelt.
Sind Hornissen nicht eine Bedrohung für den Menschen?
Resetarits: Wenn wir Hornissen im Haus gehabt haben, haben wir natürlich geschaut, dass wir mit ihnen auskommen. Man macht sich ja Sorgen wegen der Kinder. Natürlich ist jeder einmal bissen worden, und da gibt’s ja verschiedene Meinungen: Die einen sagen, wenn dich drei stechen, bist hin. Die anderen sagen: Bledsinn. Ich gehöre zu den wenigen Menschen, die von mehr als drei Hornissen gleichzeitig gestochen worden sind. Und ich lebe!
Und wie hat es sich angefühlt?
Resetarits: Des tuat weh! Das ist ein Schmerz, wie wenn dir jemand mit einem Holzprügel stark draufhaut.
Das wäre doch ein Thema.
Votava: Zum Beispiel. Wir werden übrigens auch verschiedene Tricks nützen, etwa das dramaturgische Mittel der Zeitüberblendung.
Resetarits: Zum Beispiel bringen wir Interviews, die vor zwei Tagen stattgefunden haben!
Votava: Das Leiwande daran ist, dass wir die Interviews dann schneiden können, Stellen rausnehmen, die fad sind. Das ist schwierig, weil solche Sachen hat kaum noch wer gemacht auf einer Bühne. Aber die Leute sind durch die Medienentwicklung der letzten Jahre so geschult, dass man wirklich sehr dynamisch arbeiten muss.
Heribert-Gerald-Willi.jpgResetarits: Wir bewegen uns da auf dünnem Eis. Wir müssen aber auch nicht immer alles selber genau wissen, dafür haben wir ja Experten.
Votava: Ein Anliegen ist uns auch, zwischen dem Publikum und den Wissenschaftlern zu vermitteln.
Resetarits: Er ist ja so begeistert von der Heisenberg’schen Unschärferelation!
Der Titel „Weil, warum?“ ist eine Referenz an Ostbahn-Kurti. Ist die Show so was wie ein Comeback?
Resetarits: Es ist der wesentlichste Teil von dem, was der Willi Resetarits jetzt „Neues“ probiert. Neu ist es insofern nicht, weil wir ja schon fertige Unterhaltungskünstler sind und uns aus dem Fundus an Fertigkeiten halt die aussuchen, die uns gut passen. Der Willi Resetarits will sich jetzt wichtig machen, nachdem er den Ostbahn abgelegt hat.
Sie kommen beide vom Rock ’n‘ Roll, sind aber durch Ihren Schmäh berühmt geworden. Wär’s Ihnen lieber umgekehrt?
Resetarits: Wenn man mir versprechen würde: Du darfst ein ganz wilder Rock ’n‘ Roller werden, musst aber schmähfrei sein, würde ich das nie akzeptieren.
Votava: Mir war das so und so immer eher wurscht, in welchem Medium man das transportiert, was man machen will. Wir singen auch Lieder, wobei das keine Rock-’n‘-Roll-Lieder sein werden.
Resetarits: I brauch‘ des Laute nimmer. Das hab ich mir abgearbeitet. Es tut mir jetzt weh, wenn wer so laut spielt.
Singen Sie deutsch oder englisch?
Resetarits: Der Gerald hat gesagt deutsch, und es hat nicht so geklungen, als ob er die Frage diskutieren wollte. Wir haben zum Beispiel ein Lied von Arik Brauer gefunden, das wieder mit einer großen Ernsthaftigkeit gespielt werden will: „Hinter meiner, vorder meiner, links, rechts gült’s nix, ober meiner, unter meiner siach i nix. Spür nix, hea nix und i riach nix, denk i nix und red i nix und tua i nix …“
Votava: Das ist ein Lied, das die Menschen kaum mehr kennen!
Resetarits: Ich finde die Einleitung ganz toll. Der Arik Brauer hat ja so eine hohe Stimme, und mit der sagt er: „Das ist ein beinhartes Protestlied! Der Protest richtet sich aber nicht gegen jemand Bestimmten, sondern an jeden, der sich betroffen fühlt. Auch gegen mich!“
Ist das bei Brauer Ironie?
Resetarits: Na. Wir werden die Vorrede auch weglassen. Wir wollen das Lied ernst nehmen, und wenn’s dann jemand lustig findet, soll er. Wir wollen, dass das eine Würde und Ernsthaftigkeit hat und trotzdem zum Lachen ist.
Votava: Im Kino oder im Theater regt man sich oft über Leute auf, die an den falschen Stellen lachen. Aber ich find, das ist halt so.
Welche Songs stehen noch auf dem Programm?
Votava: Im zweiten Teil wollen wir uns ein bisschen mit Zeit und Raum auseinander setzen. Da ist mir ein altes Lied aus meiner Kindheit eingefallen: „Tausend Jahre sind ein Tag“ vom Udo Jürgens, das Titellied zur Fernsehserie „Es war einmal der Mensch“. Das wollte ich immer schon singen.
Gibt’s das auch auf Platte?
Votava: Das ist auf der Platte „Udo 80“ erschienen. Ich hab einmal bei einem Clubbing eine Viertelstunde mit ihm gesprochen. Er hat ein bissl was trunken gehabt und mir, wie sich später herausgestellt hat, eine Passage aus seinen Memoiren erzählt: Wie er auf der Donauinsel vor vier Millionen Leuten gespielt hat. Das ist mir schon ein bissl viel vorgekommen. Aber er hat viele schöne Lieder geschrieben, da kann man einen Respekt davor haben.
Resetarits (verzieht respektlos das Gesicht): In den Siebzigerjahren hab ich in einer WG gewohnt, und die Nachbarin hat einen Mann im Rollstuhl gehabt, den sie den ganzen Tag geschimpft hat. Die hat uns dann einmal eine Kassette mit Udo-Jürgens-Liedern aufgenommen und gesagt, das sollen wir uns anhören, weil: „Das ist alles wahr!“
Was verbindet Willi Resetarits und Gerald Votava?
Resetarits: Sympathie.
Votava: Die Fähigkeit, mitzufühlen, ja.
Resetarits: Du meinst Empathie!
Votava: Nein, das ist die Fähigkeit, sich einzufühlen.
Resetarits: Dazöhl ma nix, heast!
Herr Resetarits wirkt extrovertierter als Herr Votava. Stimmt’s?
Resetarits: Privat bin ich relativ zurückhaltend. Aber auf der Bühne hab ich das Gefühl, da muss jetzt was passieren, die Leut ham zahlt.
Votava: Bei ist es auf der Bühne so, dass von selber Sachen passieren. Da wehre ich mich nicht dagegen. Im normalen Leben hat man ja nicht ständig das Bedürfnis, laut zu sein. Die Bühne ist ein optimaler Raum dafür.
Wobei Willi Resetarits natürlich wesentlich mehr Bühnenerfahrung hat.
Resetarits: Ich bin ja auch älter.
Merkt man das gruppendynamisch?
Votava: Es ist so, dass der Willi jemand ist, dem man eh nix erzählen braucht.
Resetarits: Im Ins-Wort-Fallen bin ich super. Da kann mir keiner was erzählen.
Votava: Wenn er glaubt, es g’hört was g’sagt, dann sagt er’s auch.
Man hat das Gefühl, dass es Sie überhaupt nicht so sehr ins Rampenlicht drängt.
Votava: Ich mach schon gern leiwande Sachen. Ich hab vieles probiert, aber ich führe das dann nicht so karrieremäßig weiter. Radiomachen ist halt das, was ich immer mache.
Resetarits: Da hast du ja schon ganz jung angefangen.
Votava: Na ja, mit 23. Die Projekt-X-Sendung machen wir jetzt zehn Jahre. Im Jänner wird FM4 zehn, dann haben wir’s zehn Mal 52 Mal im Jahr gemacht. Ganz wenige Wiederholungen.
„Projekt X“ ist Ihr Brotberuf?
Votava: Das Radio. „Projekt X“ ist die Torte.
Was ist bei Willi Resetarits Brot?
Resetarits: Bei mir ist nix Brot, alles Torte. Ich hab alles ausgeschieden, was in irgendeiner Weise nicht dem entspricht, was ich mir wünsch. Ich such mir alles selber aus. Das Einzige, was mich hemmt, sind eigene Unzulänglichkeiten. Aber ich bin draufgekommen, dass ich eigentlich ziemlich viel los hab. Ihr könnts so froh sein!
Votava: Ich muss mich jetzt entschuldigen.
Resetarits: Aber wenn ich dich nicht unterbrechen kann, fallt mir nix zum Reden ein.
„Weil, warum?“: von 10.10. bis 19.12. jeden So (außer 21.11.), 13 Uhr, im Orpheum (22., Steigenteschgasse 94b). Karten: Tel. 481 17 17 bzw. http://www.orpheum.at
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Erschienen in „Falter“ Nr. 41/04 vom 06.10.2004 Seite: 22

Ein Gedanke zu „Willi Resetarits und Gerald Votava ::: Die Hornisse ist der Star“

  1. Tirol westwest, einen geografischen Schas nur östlich von Vorarlberg, liest dank Werner Vogt bereits im zweiten Jahrzehnt den Falter und richtet sich an literarisch/philosophischen Zukünften wie dem Interview von Andrea Maria Dusl und Wolfgang Kralicek mit Gerald Votava und Willi Resetarits immer wieder auf, was angesichts der Überhänge in diesem Land nicht ganz einfach ist.
    Oswald Perktold, Internet

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