Koalition

In Falter 21/03 vom 21.05.2003.

Liebe Frau Andrea!

Ich würde gerne von Ihnen die wahre Bedeutung des Wortes „Karl“ (im Wienerischen „Koal“) erfahren. Der Ausdruck beschreibt den letzten Rest eines Getränks im Glas, einen Spaß, eine „linke“ Tour, oder aber auch – als „mäukoal“ – üblen Mundgeruch. Können Sie mir helfen?

Mit freundlichen Grüßen,
Klemens Grünwald, Internet

Lieber Klemens,

im Wienerischen haben einige Vornamen Eingang in die Begriffswelt gefunden. Der Schani und sein Garten, der Hansl, der Schurl, die Liesl und der von Ihnen ins Spiel gebrachte „Koal“. Die Etymologie des Ausdrucks ist nur scheinbar geklärt, seine Bedeutung oszilliert im Wesentlichen um Emotionen, die das Hochdeutsche mit dem Wort „Spaß“ beschriebe. Die gängigste Interpretation will den Koal oder Koarl von einem 1781 in der Leopoldstadt gegründeten Lustspieltheater ableiten. Die Volksbühne wurde unter ihrem Impresario, dem Regisseur und Schauspieler Carl Bernbrunn vulgo Carl Carl (einem gebürtigen Krakauer), zum Synonym für ein „Theater“, für einen „Koarl“. Nicht zu Unrecht: Im Koal- oder Carl-Theater sollte auch der berühmteste aller Wiener Unterhaltungskünstler unsterblich werden, Johann Nepomuk Nestroy. Das ist die eine Seite der etymologischen Medaille. Das Avers stammt wie vieles im Wienerischen aus dem Jiddischen. Das hebräische Wort Kol oder Qol heißt Stimme, (An-)Sprache – zugleich aber auch „das Leichte“ und „alles, was überhaupt ist“. In Deutschland hat sich die Bedeutung im Ausdruck „Kohl reden“, also „Unsinn von sich geben“, erhalten. Dass der letzte Rest im Glas – oder gar der Geruch des Mundes – ein Karl wäre, kann ich nicht bestätigen. Die Neige oder „es Noagerl“ heißt beim Wirten schlicht „Hansl“. Was alles noch ein Hansl ist in Wien und was ein Schurl und was ein Schani, erfahren Sie in der nächsten Kolumne.

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