Plattendebatte 

Falter 40/99 vom 06.10.1999.

Ich wohne in einem Plattenbau. Plattenbaue sind nämlich cool zum drinnen wohnen. Unglaublich, was da so alles mitschwingt, wenn du in einem Plattenbau wohnst! Der Ikea-Luster zum Beispiel, der pendelt ganz schön foucault’sch, wenn der Mieter über mir zu Hause sich an seiner Plattensammlung mit Technikmusik und Love-Parade-Bumbum tothört. In Plattenbauten, wie dem, den ich bewohne, schwingt aber auch Erinnerung mit. Etwa an den Plattensee 1989, als Urlaub dort noch etwas bedeutete in den Plattenbauen. Als Völker noch aus dem Inneren von Glaspalästen regiert wurde und nicht aus Bierzelten. Als die Völker unserer östlichen Nachbarländer noch nicht in der üblen Nachrede standen, die Umvolkung unserer lendenschwachen Bevölkerung voranzutreiben. Hach, und jetzt? Jetzt soll alles anders werden? Wo doch eh schon alles anders ist? Kein Stein soll auf dem anderen bleiben? Auch in meinem Plattenbau nicht? Die Klänge balinerischer Freizeitjestaltung sollen meinen Klappluster nicht mehr zum schwingen bringen? Die Klänge anatolischen Liebesgedudels aus der Plattensiedlung gegenüber nicht mehr an die Glasplatten meiner Einbaufenster kitzeln? Und Comandantina Dusilova? Wird sie Kassiber aus der Rückvolkungshaft schreiben müssen? Soll sich das Platt wirklich wenden?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert