EDV

Als ich noch klein war und in die Mittelschule namens Gymnasium ging, hießen Computer zwar schon heimlich Komputer, beschäftigten sich aber ausschließlich mit „EDV“. Damit wir uns ein Bild machen konnten, wie so eine „EDV“ in etwa aussah, brachte unser Mathematikprofessor einen Streifen fahlgelben Plastiks mit, den er uns stolz als „Lochkarte“ präsentierte.

„Das ist EDV, meine Damen und Herren! Diese kleinen Löcher, da, das ist Information! Diese kleinen Löcher.“ Daß „ein“ gestanztes Loch den Wert „Eins“ repräsentierte, leuchtete mir noch halbwegs ein, aber daß „kein“ gestanztes Loch den Wert „Null“ darstellen sollte, blieb mir unerklärlich. Wie konnte etwas dargestellt werden, indem es nicht dargestellt wurde? Rätselhaft, aber so war EDV. Der Streifen enthielt übrigens „unauslöschliche Daten! Diese Lochkarte werden wir noch in 50 Jahren lesen können. Sogar in 100, ja in 1000!“ Ich bezweifelte die Prognosen des Matheprofs zwar schon damals, ließ mich aber offiziell zu der Haltung hinreißen, EDV verbessere sich zwar sprunghaft, aber Lochkarten als Trägermedium von Information werde es immer geben. „So eine Lochkarte ist billig und universell lesbar. So eine Lochkarte kann in Helsinki gelesen werden und in Singapur. Nur die Sowjetunion …, die überholt uns nie!“

Für Falter 5/99 vom 3.2.1999 Seite 63.

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