Karl Ritter ::: Im Land der Slidegitarren

Karl Ritter, der als Prinz Karasek für Dr. Ostbahn die Stromgitarre würgte, ist ein guter Mann. Und „Dobromann“ heißt jenes Soloprogramm, das den vielseitigen Gitarristen und seine sechssaitige Dobro dieser Tage wieder einmal gemeinsam zu Gehör bringt.

Andrea Maria Dusl für Falter 12/97.

„Die Dobro … sie ist mysteriös … voll Seele …
manchmal klingt sie wie ein bloßfüßiger Junge,
der die dreckige Straße runter zum Fischteich latscht.
Dann wieder ist sie diese unglaublich
schöne Frau, die du nie kriegen wirst.“
John Fogerty

Karl Ritter.jpgZu Beginn unseres Jahrhunderts kommen fünf tschechische Brüder ins sonnige Kaliforien und verdingen sich in Ermangelung von Angeboten aus dem Tellerwäscher-Busineß als Gitarrenbauer. Der älteste des Brüder-Quintetts mit dem Namen Dopyera erfindet 1928 mehr nebenbei als gezielt eine Gitarre mit mechanischer Schallverstärkung (die elektrische Gitarre war damals nur in marginalen Ansätzen entwickelt). Um dem Kind einen Namen zu geben, schnitzen die böhmischen Entrepreneurs aus DOpyera BROthers ihren Firmennamen: Dobro. Der schnarrend metallische Klang macht seinen Weg durch die Spelunken des amerikanischen Kontinents bis in den Weihetempel nationalen Stolzes, die „Grand Old Opry“ in Nashville, Tennessee. Wie die Dobro (auf böhmisch heißt dobry „gut“) aussieht, weiß im Land der Hamburger jedes Kind, Europäern sei das Dire-Straits-Cover „Brothers in Arms“ in Erinnerung gerufen. Den unverwechselbaren Klang des sechssaitigen Aluminium-Holz-Hybrids hat Ry Cooder im Soundtrack zu Wim Wenders „Paris, Texas“ und unauslöschlich mit dem Genre Road-Movie verknüpft.
Dobromann Karl Ritter ist nicht glücklich, wenn man ihn mit Ry Cooder vergleicht, auch die Bezeichnung „Gitarrist“ hat für den Stockerauer Musiker nicht mehr als biografischen Stellenwert. Die inzwischen abgelegte Rolle des Prinz Karasek in Dr. Kurt Ostbahns Chefpartie hat ihm zwar einerseits eine breite Öffentlichkeit erschlossen, ist aber andererseits mit der Punzierung „Stromgitarrentier“ versehen. Viel gerechter wird man Karl Ritter und den Weiten seiner musikalischen Landschaft, wenn man ihn vom großen Bogen sprechen läßt. Mit einem großen Bogen hat alles angefangen. Einen großen Bogen nämlich muß der Sechsjährige beim Geigenlernen führen. Vater Ritter, „ein eher durchschnittlicher Mandolinspieler“ hält den kleinen Blondschopf zum Studium der Violine an. In Gegenwart der Mutter kann sich Ritter schon mehr entfalten: „Die Mutter war terrisch auf die Ohren, do hob i donn a Stund“ improvisiert auf da Geigen, die hat des net vastondn, da hob i des letzte Blattl von dem Notenheftl aufg’schlong und mi über irgend a Zigeunerstückl wegimprovisiert.“

In die Gitarre verliebt sich Ritter während einer Familienfeier. Fasziniert vom stählernen Sound der tiefen E-Saite versenkt er sich stundenlang in die Klanggebilde, die er der billigen Westerngitarre seines Cousins entlockt. Mit dem Erlös eines alten Cassettenrecorders finanziert sich Ritter seine erste eigene Gitarre, findet Anschluß an Gleichgesinnte und verbringt mit ihnen Tage und Nächte in muffigen Probelokalen. All das entspricht dem oftgemalten Bild des österreichischen Musikers, der mit beiden Händen die Nacherzählung des amerikanischen Traums von der Garagenband, die’s irgendwann einmal schaffen wird, ins kleinkarierte Tagebuch schreibt. Aber vielleicht ist Karl Ritter schon damals etwas „eigener“ gewesen als die anderen.

Mit der Kenntnis der Akkordfolgen des Schikurshits „House of the Rising Sun“ zu imponieren liegt dem Elektrikerlehrling Ritter jedenfalls so wenig am Herzen, wie die Girls mit dem knurrenden Riff zu „Smoke on the Water“ flachzulegen. (Zwischen diesen beiden Eckpfeilern spannt sich jene schmale Brücke, die die Stromgitarrehelden der Popodrom-Generation beschreiten müssen, um in Wien und Umgebung auch nur annähernd so etwas wie „an Auftrag“ zu haben.)

Die Suche nach dem Eigenen führt Ritter in fremde Schluchten. Die Expeditionen in den Saltus Zappaensis führen in über Edgar Varese (das große Über-Ich Frank Zappas) zur Zwölftonmusik. Ritter hat außer Wurstresteln und ausgegrabenen Kartoffeln nichts zu beißen, versteigt sich aber dennoch in die hohen Wände, in die ihn etwa Ernst Kreneks Musik lockt. Monate verbringt er damit, dem ersten Satz von Kreneks Dritter Symphonie eine brauchbare Transkription abzuquälen. (Die gedruckten Noten hätten in der Musikalienhandlung zweieinhalbtausend Schilling gekostet: viel zuviel für einen Suchenden ohne Geld, aber mit Zeit wie Heu.)

Den Ausflug Richtung Punk vermittelt ein Freund, der 1976 enthusiastisch von der neuen Musik aus London berichtet. „Wie geht das“, fragt sich Ritter, eben noch auf dem technischen Trip, „wie krieg‘ ich das auf der Gitarre zusammen, diese Energie, die die Clash da rüberwachsen lassen, was passiert da?“

Zur vielleicht radikalsten Reise schließlich lädt in Willi Resetarits ein, als er Ritter den „Prinz Karasek an der Stromgitarre“ in Ostbahn-Kurtis Chefpartie anbietet. In dem Maße, in dem sich Willi Resetarits in sein Alter ego Ostbahn verwandelt, muß auch Ritter in seinem Part als proletarischer Gitarrenwichser aufgehen. Kein Wunder, daß es ihn nach Jahren des Schwitzens unter Scheinwerferorgeln wieder in die Freiheit der eigenen Musik zieht. Ritter schließt sich etwa mit dem Pianisten Pernes und dem Ziehharmonikaspieler Eder von der Ausseer Bradlmusi zusammen, um „Volksmusik“ zu machen, und spielt die Filmmusik zu Nikolaus Leytners „Schwarzfahrer“ ein.

Als Ritters ambitioniertestes Projekt hingegen darf die Soloperformance „Dobromann“ gelten, die 1995 auch auf Silberdeckel geschnitten wurde und alle jene musikalischen Bilder, flüchtigen Klangskizzen und Soundaquarelle versammelt, die der Gitarrist seit dem ersten verliebten Schrammen über die E-Saite entworfen hat. Die Dobro ist dabei nur eines der Transportmittel. Während Finger und Bottleneck dem Instrument mehr an Intensität entreißen, als die Grenzen des Genres „Slide Guitar“ vorsehen, holt sich Ritter per Fußpedal noch Samples und Dubs aus dem virtuellen Raum, um das einzige zu halten, was ein Musiker sich und seinem Publikum versprechen kann – Spannung. Ritter: „Das, was im Kopf ist, umzusetzen und zu akzeptieren, was dann draus entsteht. Mit Spannung und Entspannung arbeiten, auf was draufkommen. Darum geht´s mir vielleicht. Vergiß die ganzen Blue Notes.“

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