DNA Test

Ich habe in den US of A eine DNA-Analyse von mir machen lassen (don’t try this at home!) und nach der bin ich zu 44% Hunter-Gatherer, zu 43% Farmer und zu 14% Metal Age Invader. Letzteres beruhigt und beunruhigt mich gleichzeitig.

Ethnisch (heikles Terrain) bin ich zu 99% Europäerin, zu 69% West- und Zentraleuropäerin, zu 26% Osteuropäerin und sehr seltsam: zu 4% Finnin. 

Als Cousins 3-5. Grades (niemand näherer) werden durchwegs mir völlig unbekannte Finnen, Schotten und Schweden gelistet. Nur einer ist dabei, den ich tatsächlich kenne. Keine Osteuropäer, keine Westeuropäer, keine Mitteleuropäer, keine Balkanos. Irgendwas stimmt da nicht. Es sei denn, ich wurde in der finnischen Botschaft in Paris ausgetauscht. Ich muss mal mit meinen Eltern sprechen. Leider sind sie schon tot.  

Vier Stunden gegen 12 Stunden – Demo am 30.6.2018

Comandantina ©Tano Bojankin
Comandantina ©Julya Rabinovich
Comandantina Fahne ©Andrea Quatember @AndreaQuatember
Comandantina und Julya Rabinovich. ©Sonja Kato-Mailath @sonjakato
Comandantina und Julya Rabinovich. ©Sonja Kato-Mailath @sonjakato

Straßenbahn

Dramolett.

Straßenbahnstation Ring-Börse. Frühling,
Samstagmittag vor dem Stadt-Marathon.

Wientouristin aus dem Schwabenland (starker schwäbischer Dialekt): Ach entschuldige sie mal, wann geht hier die Straßabahn?

Wienerin (ich): Da müssens da oben auf die Anzeigetafel schauen. Da oben, göb. Da steht immer ois, auf die Minute genau.

Wientouristin aus dem Schwabenland: Es ist aber aine Veranschdaltung.

Wienerin: Sie können trotzdem auf der Anzeigetafel da oben lesen, was los ist, wann was kommt. Ob überhaupt wos kommt. Mehr weiß ich auch nicht.

Wientouristin aus dem Schwabenland schaut nicht auf die Tafel: Jaja.

Wienerin: Was is, sans jetz beleidigt?

Wientouristin aus dem Schwabenland: Nainnain.

Wienerin geht weiter, entdeckt Informationstafel über Umleitungen wegen Veranstaltung: Da schauns her, da steht alles!

Wientouristin aus dem Schwabenland (unbeeindruckt): Jaja.

Wienerin: Was sans’n so ignorant?

Wientouristin aus dem Schwabenland sagt nichts.

Wienerin (schon aus der Ferne): Na daun woatst hoid.

Seltsamer Traum

Seltsamer Traum. In einem Hotel in der Provinz begegneten einander Madonna (Louise Ciccone) und ich. Vor einem Auftritt. Es ergab sich eine Melange aus Seelenverwandtschaft, Bewunderung des jeweilig Fremden und manifester körperlicher Anziehung. Es barg alle Verstörungen einer Affäre. Sehr seltsam. Weder höre ich Madonna noch tat ich das je absichtlich. (In Aussertraumland.) Undeutlich war das Setting in einer Art oberösterreichisiertem Kärnten verortet. Eine der Kellnerinnen des Hotels erzählte, sie sei in ihrer Jugend schreibend für den Residenzverlag tätig gewesen. Madonna war in mich verknallt, dies aber sehr verhalten, von gespielten Gleichgültigkeiten durchmischt. Sie sprach ausgezeichnet Deutsch, verbarg dies aber vor ihrem Personal.

AMD, FB 23. Januar 2018 12:04

Hans Hurch.

„Sehr schön haben sie es gemacht, die Leinwand steht schön, viel Aufmerksamkeit, Filmarchiv, Filme, betrunken, muss bleiben, noch, ja, Archiv, Filme, Stadt, Signal jetzt schlecht. Ist Hurch herum? Hurch? Hurch herum, er wird doch was sagen, Hurch, Hans Hurch. Verstehe nur Hurch, genau, Hurch, Hans Hurch, wird er reden? Sehe ihn nicht. Er wird wohl reden.

Hans Hurch hatte das Reden bei den Katholiken gelernt, deswegen sprach er auch wie ein Pfarrer. Hurch, Bobovilleurgestein, in die Stadt gekommen, als Boboville noch aus drei Stühlen bestand und einem Regal.

Hurch darf bei mir alles, dachte es in mir, pfäffisch reden, einen Mullahbart tragen und existenzielles Schwarz, Hurch darf bei mir alles, denn er hat meinen Film gezeigt. Auf dem dicken Festival, meinen ersten Film, nie hätte ich darauf gehofft, aber er hatte es getan. Meinen Film gezeigt, ohne mich zu kennen, ohne Freundschaft oder Liebe, weil er den Film gesehen hatte. Auf dem Rad hatte er gesessen, in Locarno. Habe den Film gesehen, hatte er wackelig gesagt, der Schweiß war in Strömen aus seiner schwarzen Klu gelaufen, werde ihn zeigen. Den Film. Deswegen darf Hurch alles. Wenn Hurch mal in der Patsche sitzt, werde ich kommen, die Hand reichen und Hurch aus der Patsche ziehen. Hat mir geholfen, Hurch darf alles, werde ich dann sagen, Mullahbart hin, schwarze Kluft her, Hurch darf das, pfäffisch reden und in Rätseln, Freunde nicht mögen, ungerecht sein. Hurch darf.

Er sah aus wie ein spanischer Grande, den zwei Zeitmaschinen in der Mangel gehabt hatten, eine hatte den Hurghe-Duque aus Medina-Sidonia gebeamt, aus der ältesten Stadt Europas, mitten aufs Land, in ein kleines Poughkeepsie, wo sie Käse reifen lassen und Cinematophilie. Eine zweite Zeitmaschine hatte Hurch als einen der ersten aus dem Käsepoughkeepsie ins Protoboboville expediert. Protobobovillains wie Hurch tragen ihr Leben lang Schwarz. Am Schwarz ihrer Couture ist Sartre schuld. Und Camus. Hurch darf schon deswegen alles, weil ich die Schwarztragenden schätze. Als Atheisten sind sie mir lieber, ich gebe es zu, aber Hurch darf alles, darf auch pfäffisch sein und den Katholiken in sich schüren. Sogar das Kloster ließe ich ihm durchgehen, er darf alles. Schwarzgekleidet, mit dukalem Bart, das Kino im Herzen, hat er, Hurch, Boboville erbaut. Nicht alleine, gewiss, und keine einzige Farbe hat er angerührt. Für die Farbe haben mein Bäcker gesorgt und die kitrauchenden Bauerntöchter, die Bergaufschuhe vertrieben und Kristalle auflegten und John McLaughlin auf ihren Plattenteller legten und mit dem Further nach Haight-Ashbury pendelten.

Hurch hatte sich noch nicht gezeigt, am Bobovillegartenspitz, aber auch das durfte er, Hurch durfte alles.“

Aus: Dusl, Andrea Maria: Boboville, Wien, 2008, pagg. 137f.

Schmetterlinge, Schmauch, Sofa

Vorwort zu meinem nächsten Buch: „Wien wirklich“, (Metroverlag, Herbst 2017):

Im Dezember 1971 fasste der Weltgeist prägende Bestandteile meines Daseins in gleichzeitig Geschehendem zusammen. Keinen der Akteure habe ich jemals persönlich kennengelernt. Und auch der Ort der Handlungen will noch von mir erforscht werden: Montreux am Schweizer Lac Leman. Dort spielte ein gewisser Ritchie Blackmore, nervöser Gitarrist der englischen Rockgruppe Deep Purple, das Riff zur Hymne des Jahrhunderts ein: „Smoke on the Water“. Mit dem Rolling Stones Mobile Truck, einem fahrbaren Aufnahmestudio – im legendären Kleintheater „Pavillon“. Der Rest des Albums wurde in den Gängen und Treppenhäusern des leerstehenden Montreux Grand Hotels aufgenommen. Hinter Matratzenwänden, in der hallenden Leere vergangener Glorie. Die beiden Locations dienten als Ausweichquartiere, nachdem das ursprünglich für die Schallplatten-Aufnahmen angemietete Casino Montreux während eines Frank-Zappa-Konzerts von der Leuchtpistole eines Schweizer Fans abgefackelt worden war. Der Arbeitstitel für die epochale Tonfolge war „Title nº1“, nach anderen Quellen schlicht „Drrr Drrr Drrr“. Die Inspiration der einzigen Melodiefolge, die selbst Unbegabte auf einer Gitarre zu intonieren sich erlauben, will Ritchie Blackmore dem Anfangsmotiv von Beethovens 5ter extrahiert haben. Der Text des Songs bezieht sich auf den erwähnten Brand des Casinos am 4. Dezember 1971. Den Titel „Smoke on the Water“ soll Deep-Purple-Bassist Roger Glover ein paar Tage später im Traum erfahren haben.

Die akustischen und optischen Echos der geschilderten Vorkommnisse wurden von dritter Seite mit kritischem Unbehagen wahrgenommen. Auf der Terrasse seiner Suite im Montreux Palace Hotel stand der große Petersburger Vladimir Nabokov. Was er hörte, gefiel ihm nicht. Laute Rockmusik anglosächsischer Proletarier (Nabokov hielt den Lärm für „Jazz“), von den frühen Winterwinden durch den mondänen Ort und über den See getragen. Auch was er sah, muss den scheuen Autor irritiert haben: Feuer, Rauch, Langhaarige, Panik. Chaos im Panorama der Nabokovschen Ordnung.

Es ist nicht bekannt, ob die drei erwähnten Protagonisten der geschilderten Vorkommnisse einander am Ort des Geschehens begegnet sind. Ich jedenfalls saß in der ersten Klasse des Gymnasiums in der Wiener Wasagasse und träumte den vergangenen Sommer nach. Fern der Geschehnisse in Montreux war ich diesen doch ganz nah. Und mehr noch ihrem Personal: Dem aristokratischen Gestus des Schmetterlingsfängers Nabokov, der kritischen Pedanterie des Bürgerschrecks und Welt-Tschuschen Frank Zappa und der entrückten Manie des Rockproleten Ritchie Blackmore. Wie gut kannte ich deren Befindlichkeiten und Beweggründe aus meiner eigenen Familie! Dieses explosive Gemisch aus Kunst und Krach, Schreiben und Schweigen. Wie der dauerentwurzelte Nabokov war ich mit dem Botanisieren schöner Fluginsekten infiziert worden. Und mit dem Aufschreiben von Erfundenem. Wie Franz Zappa suchte ich die Dämonen der Bürgerlichkeit mit satirischer Anarchie zu bekämpfen, wie Ritchie Blackmore verlor ich mich im Handwerk des Gitarrespielens und in den Arabesken der Melancholie.

Der vorliegende Band handelt von Gleichzeitigkeiten und will nicht mehr sein als eine Botanisiertrommel, in der ich schillernde Schmetterlinge gesammelt habe und auch den einen oder anderen Käfer. Wiener Schmetterlinge und Wiener Käfer. Vieles in der Wiese Wien will noch gefunden werden und auch die Frage nach der Legitimität des Botanisierens darf gestellt werden. Hier kann Frank Zappa antworten, dessen Musik das Schreiben dieser Sammlung begleitet hat: „You are what you is.“

Oder genauer:

„Ich bin der Himmel
Ich bin das Wasser
Ich bin der Dreck unter deinen Walzen
Ich bin dein geheimer Schmutz
Und verlorenes Metallgeld
(Metallgeld)
unter deiner Ritze
Ich bin in deinen Ritzen und Schlitzen
Ich bin Wolken
Ich bin die Stick[erei]
Ich bin der Autor aller Felgen
Und Damast-Paspeln
Ich bin der Chrome-Dinette
Ich bin der Chrome-Dinette
Ich bin Eier aller Arten
Ich bin alle Tage und Nächte
Ich bin alle Tage und Nächte
Ich bin hier 
Und du bist mein Sofa!
Ich bin hier 
Und du bist mein Sofa!
Ich bin hier 
Und du bist mein Sofa!“

Frank Zappa & The Mothers
The Sofa Suite (Live at Montreux Casino, 4th December 1971)