Die Knödel

Falter 18/97, 30.4.1997

Außer Fellinis Hofkomponist Nino Rota und Rauhbein Tom Waits fallen mir keine Musiker ein, die so filmisch knödeln, wie das achtköpfige Tiroler Orchester Die Knödel. Hence the name! Robert Kloßhelm und Michael Knödelmeier, die Schöpfer des Films „Der Unfisch“ wissen das auch und fanden in Christof Dienz´ Band kongeniale Partner. Daß Die Knödel auch hinreissende Konzerte spielen, bewiesen sie letzten Freitag im kackevollen Audi-Max der Uni Wien. Und daß Bandleader Dienz der Jimi Hendrix des Fagott und Margret Köll die Joni Mitchell der Harfe sind, wissen alle, die dort waren.

Ali Baba! Es ist nicht so einfach, ich weiß. Der nicht ganz unbekannte Vorgänger von Dir, ein gewisser „Herr“, hat – wie wir alle leidvoll erfahren mußten – sein amt da oben in schändlichster Weise mißbraucht, das Vertrauen der Menschheit in Jahreszeitenabläufe auf Generationen beschädigt und zudem sämtliche Instrumente in der Kontrollzentrale verstellt. Es wird also einige Zeit dauern, bis sich die richtige Mischung aus Wind und wieder einstellt. Kopf hoch, Ali Baba, wir zählen auf Dich, wir stehen hinter Dir wie ein Einser. Eine Bitte: Sei so gut und plane für den 5., 6. und 7. Juni feinstes Sommer ein. Da findet nämlich das große Falter-Fest statt. Thanks.

Oh Goldi!


Falter 17/97, 23.4.1997

Die Aufgabe des österreichischen Bundesheeres besteht neben winterlichen Schneeschaufeln und dem Bauen von Ersatzbrücken im wesentlichen darin, Feinde am Überschreiten der Grenze zu hindern. Die illegalen Einwanderer an der grünen Ostgrenze sind solche Feinde. Also: Bundesheer hinstellen, Präsenz nicht nur dienen, sondern auch zeigen. Neueste Bedrohung: Die Albaner – nur Pyramidenspielen, Massenübersiedeln und Schießprügel klauen im Kopf. Damit sie das nicht bei uns machen: Bundesheerkompanie hinschicken, Präsenzdienstpräsenz zeigen.

Ali Baba! Die Panne mit dem Schneegestöber am Samstag: Sowas kann passieren! Wirst sehen, Baba, mit ein bißchen Übung bringen wir den schönsten Frühling aufs Pflaster! Dein Vorgänger, ein gewißer Herr: Naja.

Schweinewinter

Falter 16/97, 16.4.1997

Der Platz ist einer der häßlichsten der Welt. Daß die tote Hose dennoch lebt, verdankt die Piazza San Carlo weder Karlskirche noch Sezession, nicht dem Verkehrsbüro und schon gar nicht dem Musikverein. Der Magnetismus des U-Bahn-Knotens geht ausschließlich von gastronomischen Tempeln aus. Tagesausflügler schätzen die italienische Küche des principe. Sein Branzino mit Mangold gehört zu den Besten der Stadt. Freunde der fortschrittlichen Abendgestaltung wiederum finden sich im Café Shabu in der Kunstschachtel ein, wo das dickste Guinness Wiens gezapft wird. Daß hier auch der heissest umkämpfte Wuzeltisch der Welt steht, dürfte sich auch schon herumgesprochen haben. Gleich ums Eck´ finden hungrige Nachtvögel Trost & Rat bei Herrn Stefans Opernstadl. Der Hohepriester unter den Würstlstandlern brät die schmackhaftesten Eiterärmel, schneidet die fettesten Buckln und fischt nach den schärfsten Ölpfefferoni. So schön kann Häßlichkeit sein.

Herr! So da, alter Mann in den Wolken! Wir haben jetzt lange genug an einander vorbeigeredet. Meine Engelsgeduld ist an ihre irdischen Grenzen gestossen. Wir schreiben Mitte April, der Flieder sollte blühen, die Menschen auf Inline-Skatern um die Ecken flitzen, die Cabrio-Industrie Umsätze machen, Freibäder ihre Becken fluten und weißhäutige Menschen ihre neuesten Sonnenbrillen in den Schanigärten der Stadt ausführen. Was aber bietest Du uns ? Grönländische Kälte und Kettenpflicht auf der Höhenstraße. Ali Baba, hilf, das Faß ist voll!

Ali Baba!

Falter 15/97, 9.4.1997

Da haben wir den Salat. Öl ist nicht Öl ist nicht Öl. Eine Studie der Europäischen Union konnte jetzt fettsäuremäßig herausnasern, welche Region die gesündeste in der EU ist. Nein, es ist nicht die mildhüglige Toscana mit ihren fetten Tenören und nachdenklichen Sozialdemokraten. Auch im windgepeitschten Norwegen der Lebertran schlürfenden Walfänger lebt es sich ebenso ungesund wie im nußölig-schmalzigen Tirol und in der Steirer Mark, deren rußiges Kernöl die Kehlen der Tennishelden Thomas Muster und Gilbert Schaller schmiert. Das Öl der Öle kommt von der Mittelmeerinsel Kreta. Die Kreter, die dreimal soviel kaltgepreßtes Olivenöl trinken, wie andere Europäer, strotzen nur so von günstigen Cholesterinwerten, Krebsressistenz und Idealgewicht. Vergessen wir also die Alpenfette Schmalz und Butter, die Öle des rotleuchtenden Mohns und der unantasbaren Distel, die Kerne der stolzen Sonnenblume und der Stinkefrucht Kürbis und greifen zum Preßgold der minoischen Oliven. Kretische Werte lügen nicht, wie, glaube ich, schon Karl Platon sagte.

Venus und Mars

Falter 14/97, 2.4.1997

Zivilisierte Kulturen zeichnet im wesentlichen aus, daß sie Normen entwickelt haben. Wir können uns darauf verlassen, daß ein Liter Coca-Cola in Caracas das gleiche Volumen hat wie ein Liter Milch in Marchtrenk. Die 100 Meter im Olympiastadion von Atlanta entsprechen auf den Bruchteil eines Millimeter den 100 Metern der Laufbahn im Olympiastadion von Moskau. 240 Hertz sind 240 Hertz, ob in Brindisi, Bagdad, Bochum oder Baden bei Wien. Da fährt die Eisenbahn drüber. Oder 43-1-53660, die Telefonnummer des Falter: Schnitzelland: 43, Wien: 1, Falter: 53660; ganz einfach ist das, weil genormt. Bis 31. 12. 1997 wird das so einfach sein, denn ab dann gehen die Uhren anders. Am Neujahrstag des kommenden Jahres tritt die Privatisierung des österreichischen Telefonnetzes in Kraft und damit je nach Operator ein aberwitzig fortschrittliches System neuer Vorwahl,- Zwischenvorwahl- und Teilnehmernummern.

Die Aufmunternde Morgenbegrüßung „Taaaaagwacheeee“ wird sich nächstes Jahr auch in Soldatinnen-Ohren bohren. Ab 1.1. 1988 werden Frauen Dienst an der Waffe schieben dürfen. Wehrfrauen, Gefreite, Fähnrietten, Hauptfrauen und Divisoneusen werden über Kasernenhöfe robben bzw. robben lassen. Ob das sich das Sturmgewehr bei den Damen als „Bräutigam der Soldatin“ mit eventuell pornografischen Mehrdeutigkeiten durchsetzen wird, steht hingegen noch nicht fest. Herr! Wenn sich nicht allerflottest etwas ändert, Herr, lasse ich Dich entmündigen.

My Generation


Falter 13/97, 26.3.1997

Wir leben in einer Informationsgesellschaft, wie uns gut unterrichtete Philosophen erfolgreich eintrichtern. Mit Siebenmeilenstiefeln rasen wir durch ein expandierendes Universum des Datenaustausches. Kein geheimes Wissen, daß nicht in Sekundenschnelle seinen Weg durch die Netze fände. Wir befinden uns im Jahre 13 n. Orwell. Der ganze Globus ist von Information durchdrungen… Der ganze Globus? Nein! Ein von unbeugsamen Geheimniskrämern bevölkertes Büro hört nicht auf, den wissensdurstigen Eindringlingen Widerstand zu leisten. 0043 1 1611 lautet die Nummer von Klein-Nonum. „Tutututututu . . .“, „Tututututututu–Klick–Tuu-Tuu-Tuu“ und „Platz-zwei-wird-sich-in-Kürze-melden–Klick–Tuu-Tuu-Tuu“ sind die einzigen Informationen die die Wiener Inlandsauskunft anbietet. Kleiner Tip für Verzweifelte: Wählet 0316 1611, die Inlandsauskunft der steirischen Landeshauptstadt.

Erste Maie werden in Wien in alter Tradition begangen. Menschen aus stolzen Arbeiterfamilien mit rotbeflaggten Fahnenstangen in den stolzen Fäusten marschieren sternförmig auf das stolze Rathaus zu. Von der dort aufgebauten stolzen Tribüne spenden dann stolze Parteigewaltige Trost und Rat in stolzen, aber schwierigen Zeiten. Dann wird nach Hause gegangen, ein stolzes Schnitzerl eingeschnitten und mit der stolz beflaggten Bim in den Prater gefahren. Der 1. Mai 1997 wird aller Tradition trotzend ein bißchen stolzer sein, als all die vorangegangenen Tage der Arbeit. Im Prater werden nämlich nicht nur die stolzen roten Kastanien blühen, sondern auch ein rotes Wunder stattfinden. Auf der kleinen Wiese vor dem Planetarium wird niemand geringerer als die berühmteste Proletenband des Universums aufgeigen: THE WHO! Vierfachplus für My Generation und all die anderen Mopedfahrer-Hits.

Herr! Mit Abscheu muß ich den Abbruch unserer Korrespondenz in Erwägung ziehen.

Diverse Flüchtlinge

Falter 12/97, 19.3.1997

Bauen und Wohnen gehört neben Essen und Trinken sowie Tanzen und Springen zu den großen kulturellen Erungenschaften des homo sapiens sapiens. Daß unsere Gattung dem nahen Untergang geweiht ist, konnte jeder feststellen, der einen Rundgang durch die Hallen des Wiener Messegeländes unternahm. Exemplarisch für den ästhethischen Niedergang: Die hässlichsten Nasszellen seit der Erfindung des Waschzwanges sowie die polymorph-perversesten Turboküchen seit der ersten friedlichen Nutzung des Feuers.

Das Geschrei, das sich gerade um das Unmögliche (die Abschaffung des Sonntags) erhebt, dürfte bald verebben. Dann nämlich, wenn Befürwortern und Gegnern bewußt wird, welche Konsequenzen Sonntagsarbeit nach sich ziehen würde: Das Ende des freitäglichen Krankenstandes gleichermaßen wie die rapide Genesung der Nation von schauerlichen Montagsdepressionen. Auch der Bedeutunsverlust der Datumsfloskel Mittwoch wäre zu beklagen.

Herr! Bist Du jetzt völlig übergeschnappt? Was soll dieser unerträgliche Schwachsinn? Schon wieder verwechselst Du Wien mit Wladiwostok und den Kahlenberg mit Kamtschatka!

Was wurde eigentlich aus…?

Falter 11/97, 12.3.1997

Im Techno-Schanigarten Kunsthalle knirscht schon der Kies unter den Gartenstühlen, im Schweizerhaus werden die Budweiser-Zapfhähne poliert und im Beserlpark sprießen die ersten Krokusse durch den Split: Freuet Euch, Frühling ist´s bald. Die Unfallambulanzen melden erste Kiefer- und Wadenbeinbrüche verwegener Inlineskater und die Radgeschäfte einen sprunghaften Umsatz bei Kettenölen, Luftpumpen und Klingeln. Es kommt Bewegung in die Stadt!

Claus Peymann wird also gehen: „I didn´t even care cuz, they say . . . 2000 zero zero party over oops out of time“. So knödelt the artist formerly known as Prince, der diese verräterisch prophetischen Zeilen in den frühen Achtzigern, just zum Arbeitsantritt des Bochumers in seinem Song 1999 unterbrachte. André Heller, „wenn mein starker Arme es will, stehen alle Blumen still“, wurde 50 und bleibt in Wien. Ash (…)

Frühling statt Winter

Falter 9/97, 26.2.1997

Werbung muß sein. Wie sonst wüßten wir, daß Megaperlen weißer waschen als ordinäre Seifenlauge, welches japanische Auto um welche Leasingrate und um wieviel Airbags besser an der Ampel wartet, als ein verrostetes Fahrrad. Werbung wirbt für Produkte. No Na. Für Babywindeln, fiebersenkende Medikamente, für Computersoftware und Fruchtsäfte. Aber das war ein mal. Denn jetzt hat die Quantenmechanik ihren Einzug in die Werbebranche gehalten. Wir erinnern uns vage an längst vergessene Erkenntnisse aus dem Physikunterricht: Nach der, von Heisenberg formulierten Unschärferelation ist es nämlich unmöglich, gleichzeitig Ort und Geschwindigkeit eines Teilchens festzustellen. Auf die Welt der Werbung umgelegt, bedeutet das: Während des Hörens oder des Betrachens einer werbetechnischen Maßnahme können nicht gleichzeitig Text und Message erfaßt werden. Die ersten, die diese Erkenntnis vor kurzem erfolgreich in einer Schokoladenwerbung unterbringen konnten, sind die Sprachverdichter Dirk Stermann, Christoph Grissemann und Peter Fichna vom M.I.T. (Mit insequenten Texten). Dreikommasiebenfachplus für Quantensprünge im Äther.

Eine Studie des Instituts für den internationalen Austausch fortschrittlicher Erfahrungen weist nach, daß Hühner unterschiedlich auf verschiedene Radioprogramme reagieren. Radio Wien führte zu erhöhter Legeleistung, während die Berieselung mit Ö3 zu seltsamen Phänomenen führte: Die verstörten Tiere legten Eier mit zwei oder mehr Dottern, solche ohne, welche mit spindelförmiger oder zentimeterdicker Schale und vereinzelt auch gekochte.

Chefchirurgisches


Falter 6/97, 5.2.1997

Ein alter Traum der Menschheit wurde wahr: Wir hirschen in die Trafik, um Geld zu sammeln. Bunte Bilder kaltblütigster Mädchenpferde, schneidigster Schifahrer und unsterblichster Fußballer sind out. Denn jetzt gibt es Money, die glänzendste Sammelidee, seit der Erfindung der Kopeke. Nie war es so einfach, Münzen und Banknoten aus aller Welt anzuhäufen. Welches Glücksgefühl der Besitz einer Brasilianischen 10-Cruzado-Münze auslösen kann! Auch das zärtlich rotbraune Schimmern der Peruanischen 100-Intis-Note ist nicht zu verachten. Und erst die kostbare Eleganz, die der seltene grünviolette 100-Escudo-Schein der Banco de Moçambique beim Einordnen in höchstdurchsichtige Sammeltaschen entwickelt! Wow! So sieht es aus: zweiwöchentliches Glück.

Nehmen wir an, und verwenden dazu einen treffenden Vergleich von Peter Vujica, der begabte Masseur ihrer Lieblingssauna wurde zum Chef der örtlichen Chirurgie bestellt. Würden sie sich mit einem offenen Bruch unter sein fachkundiges Messer legen lassen? Wie wäre es mit dem Einsetzen eines Herzschrittmachers? Oder der Behandlung ihres schmerzhaften Magengeschwürs? Trauen sie ihrem Saunastreichler zu, einen blassen Tau davon zu haben, medizinische Termina wie Bothriozephalose, Brachyösophagus, Bursa bicipitoradialis und Buttler-Albright-Lightwood-Syndrom oder so auch nur richtig zu buchstabieren? Wohl kaum. In solch mißlichen Situation soll sich der Patient Kultur durch die Berufung von Peter Wittmann, vormaligem Chefmasseur der Wr. Neustädter Pink-Floyd-Sauna zum Leiter der Universitätsklinik für Chirurgie der Kulte befinden.

Alibaba! Ob es einen Zusammenhang zwischen gutem Wetter und meinem Fortsein gäbe, fragte mein wissenschaftlicher Berater T. R. jüngst. Es gibt ihn: Wann immer ich mich in Wien befinde, ziehen böse Wolken über die Stadt. Fahre ich weg, sei es nach Klosterneuburg, Kairo, Hallstatt oder nach Havanna, lacht die Sonne von allen Himmeln. Mein Fazit: Ab sofort befinde ich mich jeweils überall, nur nicht hier.

Prima Klima?

Falter 5/97, 29.1.1997

Nie war es einfacher zu krudern & zu dorfmeistern. Um den Preis eines durchschnittlichen Mountain-Bikes können nun auch mäßig begabte Musikanten aufpeitschende Rhythmen zusammenstöpseln. Roland Groovebox MC-303 heißt das Kastl, mit dem auch Volldillos zu Proficompilern wachsen können. Zwischen Whitney-Houston-Schnickschnack-Pop und bösestem Techno gibt es keine denkbaren Tongeflechte, die sich mit dem schreibmaschingroßen Wunderding nicht verwirklichen ließen.

Steiler Abgang


Falter 4/97, 22.1.1997

Wir erinnern uns: Es gab eine Zeit, da man ohne Filofax (original Filofax, wohlgemerkt) so was von out war, daß es ärger nicht ging. Ja, so war das: Megaout war man ohne das kalbslederne Ringbuch mit den vielen, vielen megawichtigen Adresszetteln und Golfergebniseintragseiten, den Stadtplänen von Vancouver, Miami und Sydney, den einlegbaren Weinführern und was es sonst noch an Wichtigtuerpapierln mit fünf Löchern gab. Diese Zeit ist Geschichte. Bleiern liegen die zellophanverpackten Blätter in den Regalen. Die Menschheit merkt sich ihre Termine wieder, die U-Bahnpläne der Welt hängen vor Ort in den jeweiligen Stationen und mit dem Wahrheitsgehalt von Weinführern ist es ohnedies so eine Sache.

Hardigatti! Wenn sich nicht sofort, Herr, (und mit sofort meine ich in den nächsten zehn Minuten) etwas ändert, werde ich die Korrespondenz mit Dir sistieren und in Verhandlungen mit dem großen Ali Baba eintreten. Es fällt mir schwer, in dreimonatigem gefrierenden Hochnebel etwas anderes als pathologischen Dilettantismus zu sehen. Schneestürme und krachende Kälte, von mir aus, Föhn und Taugatsch ditto, aber diese uninspirierte Nebelsuppe: Nein! Wir fordern Sonne! Jetzt! Bis auf weiteres und nicht trotz, sondern wegen alter Treue grußlos Deine Comandantina