Schweinewinter

Falter 16/97, 16.4.1997

Der Platz ist einer der häßlichsten der Welt. Daß die tote Hose dennoch lebt, verdankt die Piazza San Carlo weder Karlskirche noch Sezession, nicht dem Verkehrsbüro und schon gar nicht dem Musikverein. Der Magnetismus des U-Bahn-Knotens geht ausschließlich von gastronomischen Tempeln aus. Tagesausflügler schätzen die italienische Küche des principe. Sein Branzino mit Mangold gehört zu den Besten der Stadt. Freunde der fortschrittlichen Abendgestaltung wiederum finden sich im Café Shabu in der Kunstschachtel ein, wo das dickste Guinness Wiens gezapft wird. Daß hier auch der heissest umkämpfte Wuzeltisch der Welt steht, dürfte sich auch schon herumgesprochen haben. Gleich ums Eck´ finden hungrige Nachtvögel Trost & Rat bei Herrn Stefans Opernstadl. Der Hohepriester unter den Würstlstandlern brät die schmackhaftesten Eiterärmel, schneidet die fettesten Buckln und fischt nach den schärfsten Ölpfefferoni. So schön kann Häßlichkeit sein.

Herr! So da, alter Mann in den Wolken! Wir haben jetzt lange genug an einander vorbeigeredet. Meine Engelsgeduld ist an ihre irdischen Grenzen gestossen. Wir schreiben Mitte April, der Flieder sollte blühen, die Menschen auf Inline-Skatern um die Ecken flitzen, die Cabrio-Industrie Umsätze machen, Freibäder ihre Becken fluten und weißhäutige Menschen ihre neuesten Sonnenbrillen in den Schanigärten der Stadt ausführen. Was aber bietest Du uns ? Grönländische Kälte und Kettenpflicht auf der Höhenstraße. Ali Baba, hilf, das Faß ist voll!

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