Farben des Herbstes

Grundsätzlich wäre ja alles in Österreich rotweißrot tingiert. Automatisch. Austromatisch. In der Nationalkombination, bekanntermaßen (wenn auch historisch nicht gesichert) in einer Kreuzfahrer-Schlacht entstanden. Gäbe es nicht noch das eigenbrötlerische, nicht auf der Klachlsuppe dahergeschwommene Steirergrün. Die Flaggenfarben der restlichen Bundesländer sind mythentechnisch kaum aufgeladen, gelb kommt noch vor, in Niederösterreich gemeinsam mit tiefem Blau. Das wars. Die politischen Parteien orientieren sich heraldisch international. Der Ausreißer Türkis ist mittlerweile fast vergessen. Hin und wieder taucht es auf historischen Schnappschüssen der Fußballnationalmannschaft auf. Türkis-Schwarz seien die Komplementärfarben von Rot-Weiß, hieß es damals sardonisch. Der Nachweis ließ sich groteskerweise sogar erbringen.

Wie auch immer, der österreichische Herbst prunkt mit eigenem Farbenspiel. Dem leuchtenden Backenrot der Erstklässler·innen, dem Orange-Grün des letzten Freibad-Twinnis, dem Azur der klaren Herbsthimmel, und bald aktuell: Dem unscheinbaren Grau der Wahlurnen. Dem stillen Dunkelblau der Kugelschreiberkappen, mit denen wir die Wahlzettel ausfüllen, intim beschattet vom stumpfen Braun der Wahlkabinenwände. Sie gehören zum Farb-Inventar des österreichischen Herbstes. Ihre Aktualität endet mit den wachsenden Säulen der ersten Hochrechnung und den blassen (oder geröteten) Gesichtern der politischen Akteure.

Der Herbst ist ein Maler, sagen die Dichter. Malerinnen und Dichterinnen schweigen.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 14. September 2024.

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