Post für Downing Street 10

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 29/2024 vom 17. Juli 2024

Liebe Frau Andrea,
anlässlich der Bestellung Keir Starmers als neuer Premierminister des Vereinigten Königreichs konnte man, zumindest auf BBC, die schwarze Türe des Amtssitzes mit der berühmten Hausnummer 10 sehen. Die Türe hat offensichtlich einen Briefschlitz. In Erinnerung an mein eigenes Postkastl erwächst die Frage: Geht der Briefkasten dahinter nicht über? Immerhin ist das die bekannteste Adressse der Welt.
Rudi Kutil, Wien Meidling, per Email

Lieber Rudolf,

postalisch als „10 Downing St, London SW1A 2AA, United Kingdom“ geführt, firmiert der anthrazitfarbene Ziegelbau im Regierungsviertel Whitehall seit 1735 als Amtssitz der britischen Premierminister. Es ist deren offizielle Residenz, ihr Büro und der Ort, an dem führende Politiker der Welt empfangen werden. Winston Churchill kritisierte Nummer 10 und die verbundenen Objekte als „errichtet von profitgierigen Bauunternehmern, wackelig und leichtfertig gebaut.“

Auf die schwarze (im frühen 20. Jahrhundert grün gestrichene) Türe des elfenbeinfarbenen georgianischen Portals ist in weißer Farbe die Hausnummer „10“ gemalt. Unter einem niemals benützten eisernen Türklopfer in Form eines Löwenkopfes ist besagter Briefschlitz aus Messing eingesetzt. Er trägt die Inschrift „First Lord of the Treasury“ – ein Nebentitel des Premierministers. Nach dem Mörserangriff der IRA im Jahr 1991 wurde die ursprüngliche schwarze Eichentür durch zwei explosionssichere Stahltüren ersetzt. Die eine steht in Verwendung, die andere wird eingesetzt, sobald an der ersten etwas ausgebessert werden muss. Die Originaltür ist im Churchill-Museum ausgestellt. Weder der echte, noch die beiden nachgemachten Briefschlitze stehen in Verwendung. Post kann also nicht überquellen.

Im Jahre 1909 meldeten sich zwei Suffragetten beim Postamt East Strand mit dem Begehr, von einem Eilboten an der Adresse Downing Street 10 zugestellt zu werden. Zu dieser Zeit bot die Post einen Dienst an, bei dem „Postmeister die Beförderung einer Person durch einen Eilboten zu einer Adresse veranlassen können“. Die beiden „menschliche Briefe“ (und ihr mündliches Begehr) wurden dem Premierminister tatsächlich zugestellt.

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