Ideale Kandidatenliste

„Wer die Wahl hat, hat die Qual“, lautet ein altes österreichisches Sprichwort, es wurde längst ersetzt durch die besser passende Erkenntnis „Wer die Wahl hat, hat das Sprichwort“.

So gerne sich die Wahlberechtigten in diesem Land auch in die Befindlichkeit flüchten, Wahlen seien ein unabwendbares Übel, so wenig reflektieren sie, dass Wahlen hierzulande nicht zur Tradition gehören. In den Wertelisten kommen Lederhose und Dirndl vor, das Christkind und der Osterhase, das Schnitzel und der Kaiserschmarrn, nicht jedoch die Wahlurne und die Gewaltentrennung.

Die zivilisatorische Decke der Demokratie ist dünn, die Älteren unter uns sind noch in Diktaturen aufgewachsen, nicht wenige der Zugezogenen kommen aus solchen, und eine vom Bösen erigierte Gruppe Junger und Altjunger sehnt den „Starken Mann“ herbei. Kommentatoren und Analyse-Gschaftlhuber mahnen Leadership ein, Aufräumerqualität, Durchsetzungskraft. Meist bei denen, deren Schwäche sie fahrlässig herbeigeplaudert haben. In Debatten dominiert der laute Ton und das Sprechdauerfeuer über das Argument und die Sachkenntnis. Aggression wird mit Souveränität verwechselt, Phrasengedresche mit Professionalität, Politik mit Sport. Der Sieger darf alles. Der Zwischenzeitsieger auch schon.

Wie sagte der tiefrote Langzeitbürgermeister Wiens, der gelernte Niederösterreicher Michael Häupl, einst? „Wahlkampf ist eine Zeit fokussierter Unintelligenz.“ Mittlerweile gilt:

Wahlkampf ist eine Zeit unfokussierter Unintelligenz.

Und ab Montag heißt es: Nach dem Wahltag ist vor dem Wahltag.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 28. September 2024.

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