Wie gendern wir die Cottage?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 35/2024 vom 28. August 2024

Liebe Frau Andrea,
vielleicht können Sie bei Frage nach der Herkunft des Namens „Cottageviertel“ die Frage klären, ob es seine Ureinwohner englisch als „cottage“ oder quasi-französisch als „kott‘äsch“ aussprechen.
Sicherlich können Sie dabei helfen, Danke!
Helmut Spudich, per Email

Lieber Helmut,

Ihre Frage erreicht mich über eine Kaskade redaktioneller Weiterleitungen. Aus der Korrespondenz geht hervor, dass Sie sich auf die Frage des Tages im Falter-Morgen-Newsletter vom 20. August 2024 beziehen, woher nämlich das Cottageviertel in Döbling seinen Namen habe. Vom dort vor hundert Jahren produzierten Hüttenkäse (Cottage Cheese), von einem englischen Grafen, der das Viertel erbaute und es nach den Häusern in seiner Heimat benannte, oder von den Villen, die dort im Stil englischer Landhäuser (Cottages) errichtet wurden.

Den Döblinger Regimentern sind die Zusammenhänge natürlich bekannt, und insbesondere den dort wohnenden Betuchten. Das Cottageviertel, jene exklusive Wohngegend beiderseits der Wiener Hasenauerstraße, zu etwa gleichen Teilen in Döbling und Währing gelegen, verdankt sein Entstehen dem Betreiben des 1872 gegründeten und vom Wiener Gründerzeitarchitekten Heinrich von Ferstel präsidierten Cottageverein, unter dessen Bauherrnschaft eine große Anzahl von Privatvillen erbaut wurde. Vereinsziel war es, das Wiener Bürgertum als Antwort auf die teuren Innenstadtpaläste an das Ein- und Zweifamilienhaus an der Peripherie zu gewöhnen und damit die Wohnqualität verbessern.

Das Stadtviertel wurde im englischen Landhausstil errichtet und müsste nach allen Regeln der sprachlichen Vernunft englisch adressiert und auf der ersten Silbe betont werden, also: Cottage, Kóttedsch, Dorf, nach seinem baulichen Programm ein englisches Dorf. Tatsächlich wird „die Cottage“ aber von Bewohnern wie Besuchern pseudo-französisch ausgesprochen: Kotéésch, Kotäsch. Komplizierterweise zirkulieren je nach Erkenntnisgrad beide Aussprache- und Genusformen, „das Cottage“ und „die Kotäsch“. Dass unbeachtet dieser Fragen dort „der“ Cottagekäse auf den Frühstückstisch kommen kann, steht (noch) nicht zur Debatte.


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