Warum jeder eigentlich Guido heißt

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 34/2024 vom 21. August 2024

Liebe Frau Andrea,
neulich samstags saßen wir frühstücksmäßig im Wirr am Brunnenmarkt und plauderten klug über dies und das. Und dann kam die Rede auf Ihre Kolumne über die Aussprache von „Guido“. Und dann einer von uns: In Wirklichkeit hieße jeder in Amerika grundsätzlich Guido. Habe er wo gelesen, aber vergessen wo.
Bitte klären sie uns auf! Liebe Grüße,
Lexi Maximilian, Wien Ottakring, vom iPhone

Liebe Lexi,

ein urbaner Mythos der US-Westküste fokussiert auf das Narrativ, Neugeborene aus Immigrantenfamilien wären häufig als „male child“ und „female child“ in die Geburtsurkunden eingetragen worden. Diese Bezeichnungen seien für staatlich vergebene Vornamen gehalten worden, weshalb viele Latinos in Los Angeles „Male Child Gonzales“ oder „Female Child Gonzales“ hießen. Belastbar ist diese These nur in Maßen.

Unsere Guido-Geschichte dürfte sich auf den männlichen Vornamen „Guy“ beziehen, der sich über das Normannische und Französische in England (und später in den USA) verbreitete, und wie Guido vom germanischen Namen Witu, Wido kommt.

Bekanntlicherweise verwendet die US-amerikanische Umgangssprache das Wort „guy“ synonym mit Kerl, Mann, Typ. Der Plural „guys“ bezeichnet auch Frauen, Mädchen und Gruppen beider Geschlechter so. Dieses „guy“ hat einen einzigen Vorfahren: Jenen historischen Guy Fawkes, der am 5. November 1605 in London ein Sprengstoff-Attentat auf König Jakob I. und das englische Parlament versuchte. In Erinnerung daran wurde am Jahrestag des Komplotts eine „Guy“ genannte Figur durch die Straßen getragen und anschließend in einem Freudenfeuer verbrannnt. Aus der Figur wurde die Beschimpfung „guy“, die im Lauf der Zeit zur Bezeichnung für einen Allerweltsheini verblasste. Sinngemäß leitet sich aus der Usance, Männer und Frauen als „guy“ und „guys“ zu bezeichnen, die amüsante Idee ab, alle US-Amerikaner hießen Guido.

Würde sich das auf Wien umlegen lassen, hießen die Menschen hier wohl längst Koffer, Pfosten oder Vollpfosten. Tatsächlich aber etabliert sich eine Bezeichnung für Leute aller Art gerade. Heißt doch bald jemand in Wien „Oida“ oder „Oide.“

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