Sommerloch 2024

Österreichs Herzensnachbar ist Italien, das Land in dem die Zitronen blühen, das Land, in dem die Pizzaöfen glühen. Der Herzensnachbar hat alles, was Österreich hat, dazu noch Vulkane, Venedig, den Papst und das Meer. Und dann hat Italien noch ein Alleinstellungsmerkmal. Die nationale Feiertagszeit. Sie ist wichtiger als Weihnachten, Ostern und der Geburtstag von Diego Maradona, schöner als die Sixtinische Kapelle, lebendiger als ein gutgepflegter Ferrari-Motor. Wir sprechen von Ferragosto (von lateinisch „feriae Augusti“, Festtage des Augustus).

Im Einklang mit den Bedürfnissen der katholische Kirche fällt Ferragosto mit Mariä Himmelfahrt zusammen. Der 15. August gilt in Italien als der heißeste Tag des Jahres, und ohne jede astronomische Koinzidenz als Höhepunkt des Sommers. An Ferragosto gehört Italien den Italienern und sonst niemand. Wer im Süden lebt, fährt in den Norden, wer im Norden lebt, in den Süden. Wer in den Bergen lebt, rast ans Meer, wer am Meer lebt, in die Berge. Landeier stürmen die Städte, die Städter die Provinz. Es wird gebadet und geruht, gefeiert und gespeist, gesungen und getanzt, bis der Dottore kommt. Oder nein, der Dottore kommt nicht, denn zu Ferragosto liegt er selbst am Strand. Das Fest der Feste, die Zeit der Zeiten dauert natürlich nicht diesen einen, Marien geheiligten Tag, dazu ist der Sog des Festes zu groß. Ferragosto dauert länger. Vorher und nachher, eine Woche, zehn Tage, zwei Wochen.

Österreich sollte es den Italienern nachmachen und Ferragosto einführen. Im Gegenzug könnten wir den Amerikanern Halloween zurückgeben.

Und den Briten das Sommerloch.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 17. August 2024.

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