Wieso reißen wir ein Bankl?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 30/2024 vom 24. Juli 2024

Liebe Frau Andrea,
wieso sagt man eigentlich, wenn jemand stirbt, „der hod a Bankl grissen“?
Oder „er is obanklt“? Mit einer Bank hat der Tod ja nun wohl gar nichts zu tun.

Danke für Ihre Antwort,
Ingrid Tausig, Wien Margreten, per Email

Liebe Ingrid,

Karl Mays Indianer zogen in die Ewigen Jagdgründe, Freimaurer gehen in den Ewigen Osten voran, Gläubige werden je nach Sündenkonto von höherer Stelle abberufen oder vor ihren Richter geführt. Der Tod im Krieg, das Sterben für Gott, Kaiser, Führer und Vaterland wurde mit dem Fallen am Feld der Ehre bezeichnet, Söhne und Väter blieben im Feld. Ermordete werden zu Opfern von Gewalt, Verunglückte zollen dem Berg, der See, der Straße oder anderen Naturgewalten Tribut. Im Sterben werden Machtverhältnisse durch Sprache dargestellt. Die Vielfalt der Formen sollte uns daher nicht wundern. Die Wiener Bevölkerung hat zum Tod eine innige Beziehung, die sich vor allem in der Sprache manifestiert.

In Wien stirbt man nicht, man hupft in die Kistn, sagt an Wurf an, packt de Stufen, stöd (stellt) die Patschen, die Bock und die Hammerl (die Schuhe) auf, oder haud en Löffe (den Löffel) weg. Man mocht a Eckn, reißt a Brezn (fällt hin) oder steht ume (steht hinüber), springt ins Sackl (in den Anzug) oder ziagt in Hoidspidschaama (den Holzpyjama) an. Man wird vom Bánan (Beinernen) ghoit oder vom Quiqui und wird en Deife sei ersta Hádsa (des Teufels erster Heizer). Auch der Suizid wird blumig beschrieben. Lebensmüde gebm si die Kugel, haun si in Lichthof oder ins Pendel (erhängen sich), drahn „die Gas“ auf, gengan maukas (von jiddisch macho – ausgelöscht sein) oder fóan (fahren) ganz stü und hamlich min Anasibzga (still und heimlich mit der Strassenbahnlinie 71) zum Zentralfriedhof.

Warum aber reißen wir ein Bankl? Eine Sitzbank im Park? Eine Ofenbank daheim? Und hätte die begüterte Wiener Hofratswitwe nicht eher die Ottomane geworfen, die Chaiselongue gestossen, die Récamière inkomodiert? Sehen wir uns reißen (anreißen) an. Es ist ein altes Synonym von zeichnen, anzeichnen. Wer ein „Bankl reißt“, zeichnet die Totenbank auf, die Planke, auf der die Verstorbenen aufgebahrt werden. Wurden, sagt der Quiqui.


comandantina.com
dusl@falter.at
@comandantina.bsky.social

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert