Wem Österreich vertraut

Mit dem Geld ist es so eine Sache in Österreich. In der Bundeshymne, ansonsten verlässliche Instanz für einheimische Wichtigkeiten, kommt es nicht vor. Zu heilig, sagen die Experten für nationale Texte. Auch im anderen Großlied des Landes, Rainhard Fendrichs „I am from Austria“ hören wir nichts von Zahlungsmitteln, Guthaben, Anlageformen. Einzig das Wienerlied singt von der Pekunia: „Nur a Göd nur a Göd, is des schönste auf der Wöd, wammas a ned fressen kann, desto leichter bringt mas an, Hendl, Gansl, Anten, Fisch lass ma rennen über Tisch … an Champagna a dazua, nacher drahn bis in da fruah …“

Das Kapital sei ein scheues Reh, erzählen uns die Ökonomen und Milliardärsversteher, und da fangt die Misere auch schon an. Mit den Rehen kennen sich die Österreicher nämlich aus, besonders die am Land. Das Kapital steht treuherzig blickend am Waldrand, nicht ahnend, dass der Experte schon längst angelegt hat. Der Jäger, des Rehleins verlässlicher Betreuer. Waidgeschult entnimmt er das Tier aus der Natur, bricht es auf und bringt es seinem Besitzer. Das scheue Reh, das Gold des Waldrand wächst dem Grundherrn zu. Seit altersher. Anderen bringt das Kapital weniger Gück, es springt gerne vom Straßenrand vor die Motorhaube der Arglosen. Gewinn bringt das in der Regel nicht.

Es wundert daher nicht, dass die Österreicher dem Kapital, scheu und unberechenbar wie Geiß und Bock nicht vertrauen und auf das Bargeld setzen. Es wandert auch fern des Waldrands leicht von Hand zu Hand, besonders in der überweisungsfreien Nachbarschaftshilfe, beim Pfusch am Wochenende, und überall, wo ein Schriftl ein Giftl ist.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 20. Juli 2024.

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