Wie schnell geht ingaling?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 27/2024 vom 3. Juli 2024

Liebe Frau Andrea,
in Südtirol gibt es einen Begriff, dessen Herkunft mir bis dato nicht klar ist. Wir sagen „ingaling“ oder „in der galing“ auf die Frage, wann zum Beispiel jemand kommen wird oder etwa wann etwas erledigt sein wird. Das soll dann bedeuten „irgendwann einmal“ oder so.
Ich bitte um Hilfe!
Herzlichen Gruß, Heinz Silgoner, von meinem iPhone gesendet

Lieber Heinz,

wenn es schnell gehen soll, südlich des Brenners, geschieht es „bolamol“, „pollamol“ (bald einmal), oder etwas schneller: „bol“ (bald). Das verstehen Wiener, Bayern, und sogar Deutsche. Für fremde Ohren schwieriger zu entschlüsseln ist „ingaling“, das in den Varianten „in galing“, „in galling“, „in gallischn“, „dergaling“, aber auch „angaling“ und „dergaligscht“, oder nur schlicht „galing“ zirkuliert, und soviel heißt wie „mit der Zeit“, „dann einmal“ oder „wenn es so weit ist“. Es kommt von einem (auch den Wienern bekannten) Adjektiv „gach“ (schnell). Es ist ganz nahe verwandt mit dem, allen Hochdeutsch Sprechenden gut bekannten „jäh“, und stammt wie dieses vom althochdeutschen gāhi, gähi (voreilig, hastig) und dem mittelhochdeutschen gāch, gā und gæhe (schnell, jähzornig). „Galing“, „gach“ und „jäh“ kommen mit einiger Wahrscheinlichkeit von einem Wort, das nach Lehrmeinung der Forschung im Urindoeuropäischen noch *ĝhēi (antreiben, lebhaft bewegen) geheißen haben dürfte.

Ähnlich dem, auch Nichtsüdtiroler·innen verständlichen „jählings“ hat sich „gach“ mit dem suffix „-ling“ zu gachlings, gahlings und mit der Vorsilbe „in-“, „an-“ (ein-) zu ingaling verbreitet. Dabei hat das Gache (Jähe, Schnelle) stark an Geschwindigkeit eingebüßt.

Das Wienerische kennt zwar gach (schnell) ebenfalls sehr gut, und verwendet es mit großer Zuneigung – für sein Gegenteil, das Langsame, Gemütliche, Bequeme, Zeitschindende hat sich allerdings schon lange „bomáli“, „bomäuli“, „bomäule“ etabliert. Es kommt, wie so vieles in der Sprache der Wienerstadt aus dem Tschechischen. Pomalý heißt in Böhmen langsam, träge, schleppend. Wird doch eines kaum gemacht, zwischen Bisamberg und den Ziegelteichen: Gehudelt.


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