Vom Einetheatern

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 26/2024 vom 26. Juni 2024

Liebe Frau Andrea,
ganz gleich ob es Tragödie oder Komödie war, manchmal kommt mensch am Ende einer skurrilen Lebensepisode zur Erkenntnis, dass das ganze nicht vom eigenen Willen gesteuert sein konnte. Da hat einen eine andere (meist nahestehende oder emotional erpressende) Person hineintheatert. Wienerisch: „dee/dea hod mi do einetheatert!“ Martialisch die bundesdeutsche Redewendung „hineinmanövriert“. Nun liegt es nahe, dass die sprachliche Wurzel dieser Metapher in der Bühnenmetropole Wien liegt, aber sicher bin ich mir nicht. Gibt es ähnliche Sprachbilder in anderen Idiomen? Und noch etwas: Ist diese Redewendung wirklich im Sinn von „die ganze Welt ist Bühne“ zu verstehen, so dass sie nur bei rückblickender Betrachtung von Erlebnissen mit Dramacharakter angebracht ist?
Ihre kunst- und kulturluziden Aufklärungen erwartend, herzlichst,
Carl Fux, 1010 Wien, per Email

Lieber Carl,

„All the world’s a stage, and all the men and women merely players“ (Die ganze Welt ist Bühne, und alle Frauen und Männer bloße Spieler) erinnert uns William Shakespeare 1599 in seiner Komödie „As You Like It“ (Wie es euch gefällt). Die Metapher verwendete schon Shakespeares Vorgänger Richard Edward 1564 in der Tragikomödie „Damon and Pithias“ – in den Zeilen: „Pythagoras sagte, diese Welt sei wie eine Bühne, auf der viele ihre Rollen spielen (…)“. Möglicherweise verwechselte Edward den Urheber, werden doch die Worte „quod fere totus mundus exercet histrionem“ (weil fast die ganze Welt Schauspieler sind) Titus Petronius zugeschrieben, römischem Senator und Autor des satirischen Romans „Satyricon“.

Die gelernten Wiener prägten den Begriff „einetheatern“ wohl aus ähnlichen Überlegungen. Unser Wort wird stets mit der Wahrnehmung durch eine Öffentlichkeit zu verbinden sein. Braucht es doch zum (sich oder andere) Hineintheatern ein dramaturgisch kundiges, des Hohns und Spotts fähiges Publikum. 

Weniger theatralisch die Synonyme in anderen Gegenden: Ungewollt hineingeraten, sich hineinmanövrieren, hineinreiten, verfangen, verfilzen, verheddern, verstricken, verwickeln, verzetteln. Zusammengefasst dann doch: „si einteatern“.


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