Pusteblume oder Pfeifendeckel?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 24/2024 vom 12. Juni 2024

Liebe Frau Andrea,
in den vergangenen Wochen plagte uns vor allem eines: Pfeifendeckel! Wir benutzen dieses schöne Wort – seit neuestem – mehr oder weniger als Synonym für „Pusteblume“. Allerdings würden wir mit größter Neugier in Erfahrung bringen wollen, woher dieser Ausdruck stammt. Wir vermuten den Ursprung im Innviertel. Über eine genauere Beschreibung des Wortes sowie den Urprung würden wir uns freuen.
Liebste Grüße aus Salzburg,
Franz und Kathi Spatzenegger, per Email

Liebe Kathi, lieber Franz,

wir alle kennen seit unserer Kindheit die leuchtend gelben, quastelig breit blühenden Blüten von Taraxacum sect. Ruderalia, des gewöhnlichen Löwenzahns, wienerisch Meibluman (Maiblume) oder Bampebluman (von tschechisch pampeliška). Aus den Blüten lassen sich wohlschmeckende Sirups und Gelees herstellen, die hohlen, milchigen Stengel kann man zu Ketten zusammenstecken, die jungen, leicht bitter schmeckenden Blätter munden als Salat. Aus der trocken gerösteten Wurzel wurde in den Nachkriegsjahren Ersatzkaffee hergestellt. Die knallgelben Blüten verwandeln sich in Prozessen, die nur die Botaniker korrekt beschreiben (und verstehen) in einen kugelig flauschigen Fruchtstand aus haarigen Flugsamen. Größter Kinderspaß ist es, in diesen fest hineinzublasen – die weißhaarigen Samenschirme zerstäuben in einer kleinen Wolke. Die Deutschen nennen die Pflanze daher Pusteblume. Jenseits des Weißwurstäquators kennt man auch den Pustekuchen (soviel wie „denkste“, „scheißegal“), kaum ahnend, dass der nichts mit der Pusteblume zu tun hat, weil er von jiddisch „poschut chochem“, wörtlich „wenig wissend“ kommt.

Das Bairische (und damit das Innviertlerische) kennt unsere Blume wegen des milchigen Safts seiner Stengel als Müllidistel (Milchdistel), wegen seiner harntreibenden Wirkung als Bettsoacha (Bettnässer) und Brundsbloama. Weil der Löwenzahn gerne auf naturgedüngter Wiese blüht, heißt er auch unprosaisch Kuah- und Saubleaml.

Pfeifendeckel heißt die Blume wegen der metallischen Deckel, mit denen Tabakspfeifen verschlossen wurden. Die Rauchfähnchen, die aus den Deckellöchern qualmten und sich kugelig ausbreiteten, ähnelten den flauschigen Flugsamen der Pusteblume.


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