Planet Österreich

Österreich. Der Zwergkontinent zwischen Bodensee und Langer Lacke, Böhmerwald und Karawanken. Das Land von Freud und Hitler, Schiwasser und Sommerspritzer, Streif und Donauinsel, Humptata und Hulapalu. Existiert es überhaupt? Ist Schnitzelland nicht vielmehr ein Märchen? Eine Gutenachtgeschichte, nach der niemand mehr einschlafen kann?

Für die Amerikaner ist Österrreich die Sommerwiese, auf der Julie Andrews in „Sound of Music“ herumtanzt, für die Chinesen ist es ein großes Hallstatt, für die Deutschen der kleine Bruder, der nur an Córdoba denkt und „lecker“ nicht sagen will. Der Papst fasste alles zusammen und nannte uns „Insel der Seligen“.

Österreich ist das Märchen vom Transit, es lebt vom Übergang. Zwischen Innen und Außen liegt bekanntlich die Oberfläche. Da kennen wir uns aus. Im Wald und auf der Wiese, am Acker und auf dem Asphalt, zwischen Haus und Hof, an der Kreuzung und im Kreisverkehr, auf der Piste und am Pannenstreifen, im Übertragungswagen und auf der Überholspur.

Und wenn wir nicht gestorben sind, erzählen wir uns Märchen. Von jungen Talenten und alten Chats. Wir lieben das feige Schneiderlein und nicht das tapfere, bei uns beißt der Zwerg ins Schneewittchen und niemand in den Apfel, spinnen fleißige Lieschen Gold zu Stroh. In den Schuh vom Aschenbrödel schlüpft der Prinz. In seiner Kammer erzählt ihm der Spiegel: Du bist der Schönste im Lande. Du kannst alles werden, Finanzminister, Bundeskanzler, Kaiser. Nur Rapunzel ist schöner, leider lebt sie im Keller. Ihre Eltern? Frau Holle und das Rumpelstilzchen. Mit Rotkäppchen und dem bösen Wolf gründeten sie eine Partei. Und wenn sie nicht gewählt wurden, schwurbeln sie noch heute.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 28. Juni 2024.

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