Eiskarte 2024

De gustibus non est disputandum, über Geschmack kann man nicht streiten, lautet eine Redewendung, die immer dann ihre Verwendung erfährt, wenn Vorlieben in Bedrängnis geraten. Sei es die Socken-zu-Sandalen-Frage, die Gewürzstandpunkte zu Koriander und Anis, oder die Diskussion darüber, ob Taylor Swift ein Sitz im musikalischen Olymp zustehe. Wann immer es um persönliche Präferenzen geht, wird die Gustibus-Karte gezogen. Dabei wird gerne vergessen, dass ganz gegen die Intention des Sinnspruchs über nichts so heftig debattiert wird, wie über Fragen des Geschmacks, der Leidenschaft, der Hingebungen.

Klügere Diskursteilnehmer geben daher zu bedenken, dass es nicht darum geht, Gefallensbekundungen zu unterdrücken, sondern nur um die Unmöglichkeit, Geschmack zu objektvieren.

Völlig unrichtig, sagt die Meinungs-Forschung. Selbstverständlich können Vorlieben und Zuneigungen abgefragt werden und in statistischen Zusammenhang gebracht werden. Die Sonntagsfrage der Politikbeobachter liefert undeutliche, aber wirkmächtige Signale zur politischen Lage. Identisches (wenn auch kaum Publiziertes) geschieht in der Marktforschung.

Eindeutig aber sind die Verkaufszahlen (die Wahlergebnisse) selbst. Welche Prominenz das Produkt erfährt, ob es Bückware wird, oder auf Griffhöhe plaziert. In diesem Sinne sind Eiskarten, Tagesmenüs, Wahlen aller Art stets Beliebtheitsberichte aus der jüngeren Vergangenheit. Immer eingeschmuggelt: Die verführerische Neuheit. Der Vorschlag des Küchenchefs. Die Newcomerin. Das politische Talent.

Nicht wenige enden als Ladenhüter. Als Bauchfleck. Als Flop.
De gustibus est disputandum.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 28. Juni 2024.

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