Viel Gschisti ums Gschasti

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 21/2024 vom 22. Mai 2024

Liebe Frau Andrea,
in zunehmendem Alter fallen eine* immer wieder Begriffe aus der Jugend ein. Die gehen dann auch nicht mehr aus dem Kopf. Bei mir ist es „Gschisti-Gschasti“. Ich mag ja diese – vermutlich – alten Wiener Begriffe. Hätte daher mehr darüber erfahren. Ist das altwienerisch, oder modern?
Über eine Erläuterung oder Historie würde ich mich freuen.
Alex Kaliwoda, per Email

Lieber Alex,

nach gängigem Verständnis ist Gschisti-Gschasti bestes Wienerisch, alt und bewährt, wenn auch nicht uralt. Der Begriff bezeichnet die unnötige Geschäftigkeit, das unfokussierte, kleinkrämerische Getue, unwienerisch ausgedrückt das unproduktive Herumgemurkse, zusammengefasst: Die Tätigkeiten des Gschaftlhubers und des Umstandsmeiers. Vielfach wurde es vom tschechischen čistí šašci (saubere Clowns) abgeleitet. Diese Etymologie konnte bisher nicht erhärtet werden.

1850 lässt sich der Begriff erstmals literarisch fassen, er taucht in der Publikation „Der Österreichische Zuschauer, Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und geistiges Leben“ in der satirischen Kolumne „Jokoses Journal“ auf. Dort stellt der anonyme Autor das Personal einer italienischen „opera grande“ in drei Akten vor – im Libretto von „Signor Stracchino“, zur Musik von „Maestro Salamini“. Handelnde Personen sind „Elena Marchesa di Gschistigschasti“, Gattin des „Paolo, Conte di Gummilasti“. Auch der Bruder des Grafen Gummilasti, Prinz Fitzliputzli gehört zu den „Personaggi“ der hier persiflierten „großen wel’schen Oper“. Wir dürfen davon ausgehen, dass „Gschistigschasti“ zum Zeitpunkt des Erscheinens der Satire längst als Begriff etabliert war. Die Kombination Gschisti-Gschasti-Gummilasti findet später Widerhall in einem Juxmarsch dieses Titels, kurz nach der Jahrhundertwende vom Theaterkapellmeister Fritz Lehner zum Text des hochproduktiven Wienerliederdichters Eduard Merkt vertont.

„Gummilasti“ ist unschwer als Verballhornung von „Gummi elasticum“, (Naturkautschuk) zu erkennen. Das lautmalerische „Gschisti Gschasti“ erfährt seine Wörtlichkeit aus dem Gschiss, dem Gescheiße, und seiner ausgegasten Nebenform, der Flatulenz, wienerisch: Dem Schaß.


comandantina.com
dusl@falter.at
@comandantina.bsky.social

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert