Wieso wir einen Stern reißen

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 15/2024 vom 10. April 2024

Liebe Frau Andrea,
kürzlich erzählte die Burgschauspielerin Anna Starzinger eine sehr schöne Geschichte. Sie fuhr mit dem Rad, als ihr ein Wiener nachrief: „Hearst, du wirst da an Stern reissn!“ Sie habe völlig perplex angehalten. Aufgeregt redete der Wiener weiter: „Se Bandl from your Gürtel is going into se Radl des tut ur weh!“ Starzinger blickte verzückt und bedankte sich. Ich aber frage mich, woher kommt die Wendung „An Stern reissen“, wenn man auf die Goschen fliegt. Und woher kommt der Ausdruck Goschen?
Fragt ihr Franz Leopold, per Email

Lieber Franz,

wen es in Wien und sprachverwandten Gegenden aufsdrahd (aufstreut) oder aufbladld (aufblättert), wer also spektakulär hinfällt, sei es im Gehen, Laufen oder Fahrradfahren, reißt einen sogenannten Stern. Eine Figur deren Endpunkt nicht selten einem fünfstrahligen Stern ähnelt. Das Reissen (des Sterns) kommt wohl aus der Handwerkssprache, wo das Anzeichen, Markieren als Anreißen, Reißen bezeichnet wird. Ein Synonym zum gerissenen Stern ist der „Fritzelack“, der auf ein legendär-populäres Werbesujet der rennomierten Lack-Firma O. Fritze referiert. Es zeigt einen Lehrbuben, der gerade auf einem Bretterfußboden nach vorne gefallen ist, alle Viere von sich gestreckt, gestraft mit dem Zusatz-Malheur aufgesprungener und am Boden ausgeronnener Lackdosen.

Die Gosche, Gosch(e)n ist älteren und weiter gereisten Ursprungs. Wir kennen sie aus der wienerischen Aufforderung „Gusch!“ oder „halt die Goschn!“ (sei still!) und dem Adjektiv „goschert“ (vorlaut, redefleissig, frech, prahlerisch, angeberisch). Wer jemand beleidigt, „hängt ihm eine Goschn an“. Das Wort wird vergeblich im Althochdeutschen oder Mitthochdeutschen gesucht, kommt es doch mit großer Wahrscheinlichkeit vom italienischen „gozzo“, Kropf, auch Hals, Gur-gel, Schlund. Es soll über (gar)gozza oder gargozzo vom vulgärlateinischen *gurgutia oder *gargutium kommen. Eine anderere Etymologie leitet gozzo von *guttium, einer Variante des lateinischen guttur, Kehle ab. Auch ein vulgärlateinisch vorgeschlagenes *gusia (vom spätlateinisch-gallischen geusiae) wird als Herkunft von gozzo, Gosche in Betracht gezogen.

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