Wer ist hier der Seifensieder?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 14/2024 vom 3. April 2024

Liebe und geschätzte Frau Andrea,
die wöchentlichen Veröffentlichungen aus ihrem Informationsbureau sind gleichermaßen bildnerisch wie auch erbaulich. Im Leuchtkasten (Falter 9/24) wurde ich an Kurt Sowinetz mit seiner Textfassung „Olle Menschn san ma zwieda…“ der „Ode an die Freude“ erinnert. (Er bringt damit trefflich eine Seite der Wiener Seele zum Ausdruck). In seiner weiteren Darbietung ist zu hören: „Lochts nua ruhig, es Safensiada, eich wiad’s Loch’n scho vagehn …“ Ist meine Annahme zutreffend, daß es sich bei Personen obiger Berufsausübung um im Gemüt einfache Menschen handelt? Im Tagesverlauf, diesen auf die leichte Schulter nehmend, gedankenlos Lebende? Und wenn, wieso gerade das althergebrachte, notwendige und daher ehrbare Handwerk der Seifensiederei?
In der Hoffnung auf ihre Expertise verbleibe ich
mit Wertschätzung

Peter Zejda, per Email

Lieber Peter,

der Safnsiada (Seifensieder) ist in Wien sprichwörtlich mit dem langsam arbeitenden, in Kontemplation oder Schlichtheit gefangenen Zeitgenossen verbunden. Als Schimpfwort ist es weitgehend mit dem Lamsiada (Leimsieder) synonym. Beide Invektive beziehen sich auf die, schon im Mittelalter etablierten Berufsstände der Seifensieder (oft auch Lichtzieher, also Kerzenzieher) und der Leimsieder. Deren Tätigkeit wurde wegen der langsamen, unspektakulären und geruchsintensiven Vorgänge des Siedens von tierischen Abfällen (Unschlitt, Talg und Fett bei den Seifensiedern, sowie Knochen, Horn, Häuten und Fischschuppen bei den Leimsiedern) als uninspirierend und fade, die Ausübenden später zunehmend als dumm diskreditiert.

Wegen der lautlichen Ähnlichkeit zu safern (wienerich für geifern, speicheln) wurde der Safnsiada auch mit dem öligen Speichellecker gleichgesetzt. Weil die Seifensieder, wie oben erwähnt, nicht selten auch Kerzen erzeugten, wurden die Berufsstände gleichgesetzt. Der studentische Erkenntnisvorgang des „Lichtaufgehens“ erzeugte den Audruck: „Mia geht a Safnsiada auf“, soviel wie: Mir wird alles klar (durch die vielen gleichzeitig entzündeten Kerzen).

Ob einem Safnsiada selbst je ein Safnsiada aufging, muss noch geklärt werden.

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