Silvester

Der Wechsel vom alten ins neue Jahr ist nur selten ein abrupter. Die wenigsten haben je einen Übergang erlebt, der einer tatsächlichen Zäsur gleichgekommen wäre. Ganz im Gegenteil, das Neue Jahr beginnt verlässlich, wie das alte endet, nur das Datum ändert sich, und mit ihm ein Fremdeln bezüglich der neuen Ziffernkombination. Noch tagelang werden wir uns beim Notieren der Kalender-Chiffre irren und die alte hinschreiben. Macht der Gewohnheit.

Um Punkt Mitternacht springt jedenfalls die Jahreszahl, und seit es Handys gibt, lässt sich das sogar in Echtzeit verfolgen. Aber auch diese Erfahrung ist trügerisch. Im antipodischen Neuseeland sind die Leute schon seit Mittag im neuen Jahr unterwegs, dann folgt Australien, Japan, China – im Stundentakt schmeißen uns die Medien neue Jahresübergänge, mit allelei Raketengeschieße, fernöstlichem Jahresendgebimmel und spektakulären Großfeuerwerken in die Timeline. Dazwischen gewiss auch Beschauliches, Einsameres aus dünkleren Gegenden.

Hartgesottene haben das deutsche Fernsehen mit seiner krachenden Lustigkeit laufen. Traditionalisten feiern im Schnee (wo einer liegt), mit Freundinnen und Freunden, im Schoß der Familie oder, weil sie schlicht arbeiten müssen, mit Ausgelassenen, die abgefüllt werden wollen. Die späteste Stunde des Jahres ist also auch eine sehr unterschiedlich erfahrene.

Die Autorin dieser Zeilen hat Silvester auch schon anders erlebt. Fern jeder Festlaune etwa, auf der Intensivstation oder geographisch entrückt, im Taxi auf einer Brücke über den Nil. Nicht die schlechtesten indes waren die Jahreswechsel zuhause, im trauten Heim, selbst wenn ihre Bedingungen waren: Glück allein.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten am 29. Dezember 2023.

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