Wie russisch ist Schwarzer Tee?

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 49/2022 zum 7. Dezember 2022

Liebe Frau Andrea,
in meiner Kindheit hätte man bei einer Bestellung von „Schwarzem Tee“ große Augen und ratlose Blicke hervorgerufen. Heute ist es umgekehrt – leider. Denn, wenn man, wie üblich geworden, einen Schwarzen Tee bestellt, ist das Risiko hoch, dass einem ein schwarzer Kaffee kredenzt wird. Ich vermute, der erste Schwarze Tee in unseren Breiten wird aus Russland gekommen sein.
Mit besten Grüßen
Martin Hobek, 15. Hieb, Reindorf, per Email

Lieber Martin,

in Ermangelung der Kenntnis Ihrer Alterskohorte greife ich auf den eigenen Erinnerungsschatz zurück. 1961 geboren, war mir „Schwarzer Tee“ schon als Kind ein Begriff. Mein Vater, 1922 geboren, verwendete ausschließlich diesen Begriff, um sein Lieblingsgetränk zu bezeichnen. Üblichweise wurde bei uns der lose Tee in ein silbernes Tee-Ei getan, später einfach in die Kanne, und mithilfe eines Teesiebs beim Einschenken in die Tasse abgeseit.

Die supermarktgestützte Konjunktur von Teebeuteln erodierte nicht nur die Qualität der Tees, sondern brachte zusätzliche Verwirrung, weil auch getrocknete Früchte und allerlei Kräuter, anfangs nur Salbei, Kamille und Hagebutte, als Tee bezeichnet wurden, wohl weil die Methode, der Aufguß mit kochendem Wasser, die Begrifflichkeit „Tee“ gekapert hatte.

Ihre Vermutung über die Herkunft des Begriffs fusst auf Evidenzen. 1638 hatte ein mongolischer Fürst dem russischen Zaren Michael Romanow sechzig Kisten Tee geschenkt, wegen seiner Haltbarkeit ein beliebtes zentralasiatisches Zahlungsmittel. Das aromatische Getränk war bei Hof schnell „le dernier cri“ und wurde bald darauf in großen Mengen mit Karawanen von China nach Russland transportiert. Mitteleuropa bezog asiatischen Tee anfänglich vor allem aus Russland, daher die Namesverquickung schwarz und russisch. Der Rest Europas, vornehmlich der Westen trank anfänglich fast ausschließlich grünen Tee, von Holländern aus China importiert.

Komplizierterweise wird Schwarzer Tee, der stärker oxidiert ist und stärker im Geschmack ist als OOlong, gelber, weißer und grüner Tee, in vielen ostasiatischen Sprachen auch als Roter Tee, chinesisch „Hong Cha“ bezeichnet.

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