Woher das Bitzeln kommt

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 32/2022 zum 10. August 2022

Verehrte Comandantina, liebe Frau Andrea,
da schreibe ich entschuldigend „ich bin pitzelig“ und bekomme die Antwort „Übrigens: Bitzeln heißt in meiner, von der oberösterreichischen Sprache geprägten Welt, dass man „herumspinnt“ und wild herumschreit (zB. ein Kind, das sich auf den Boden wirft und weint und schreit, weil es etwas nicht bekommt). Ich hoffe nicht, dass Dich die Beistriche so zur Verzweiflung treiben. Darf ich fragen, wie Du pitzeln hier gemeint hast?“ Na übergenau mit Kleinigkeiten befassen. Aber was hat es denn mit Bitzeln auf sich? Ersuche um geschätzte Antwort, wäre wunderbar.
Mit den besten Grüßen,
Abg.z.NR Mag. Eva Blimlinger, Alsergrund, per Email

Liebe Frau Abgeordnete,

native Sprecher·innen des Wienerischen würden „bitzeln“ (ausgesprochen: bidsln) heute am ehesten mit „herummäkeln“, „i-Tüpferl-reiten“ übersetzen. Im alten Wienerisch waren die Sitten noch rauer. Da war die häufigste Bedeutung von bidsln sich zornig gebärden, zornig machen, zornig sein oder zornig werden. Auch sich zu wurmen, sich innerlich zu quälen waren gängige Aspekte des Bidslns. Erst später gewann die Nörgelei gegen den Zorn.

Bidsln konnte aber auch heißen, etwas in kleine Bidssl (kleine Stücke) zu schneiden. Auch das Kribbeln in den Fingern bei Kälte nannte man bidsln. Bitsslad bedeutete zornig zu sein, die Bitsslarei war die Kleinigkeitskrämerei, Bitsslboig ein zorniges Kind, Bitsslgea oder Bitsslreita der unzufriedene Soldat. A bitssliche Gschichd war eine heikle Angelegenheit. Als Bids galt der anmaßende, stutzerhafte, genusssüchtige Lebemann aus der Vorstadt, auch der Raufer, Schläger, kleine Gauner, im Tschechischen noch „bijec“, Schläger, Kämpfer genannt. Davon zu unterscheiden war jener Bids, mit dem man den Zorn meinte, eine Verschleifung des italienischen „bizza“, Jähzorn, Wutanfall. Das italienische bizza dürfte für die zornige Färbung des bidslns verantworlich sein, das Biddsl (das Stückchen) für die nörgelnde.

Dass italienisch bizza seinerseit auf althochdeutsch „bizzo“, Bissen, zurückgeht, ist ein bidslada Beweis für die Weitgereistheit des Wienerischen.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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