Wie’s die Tiere treiben

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 15/2022 zum 13. April 2022

Liebe Frau Andrea,
ich bin gerade dabei, das von mir viel zu lange vernachlässigte Mittel- und Spätwerk vom wunderbaren Wolf Haas nachzuholen. Jetzt kniefle ich aber schon seit Tagen am Ende von „Wie die Tiere“. Darin zieht sich ein Witz – immer wieder unterbrochen – durchs gesamte Buch, ehe im letzten Satz doch noch die ersehnte Pointe folgt. Und ich versteh sie nicht. So unbefriedigt hat mich schon lange keine Lektüre mehr zurückgelassen. Auf wenige Zeilen komprimiert lautet der Witz: Mann: „Lass es uns doch einmal wie die Hunde machen.“ Frau: „Na gut, ausnahmsweise. Aber ich sag dir gleich, es muss an einer ganz unbelebten Kreuzung sein.“
Beste Grüße,
Matthias Schmid, per Email

Lieber Matthias,

ohne der Expertise von Wolf-Haas-Auskennern vorgreifen zu wollen, sehen wir hier das literarische Beispiel eines Running Gags. Dessen Komik besteht darin, uns die Pointe eines wiederkehrend vorgebrachten Witzes bis zum Ende des Buches vorzuenthalten. Als Ablenkungsgags dienen Dialoge, in denen erörtert wird, ob eine bestimmte Beischlafmethode wie jene der Tiere im allgemeinen, oder jener der Hunde im speziellen zu bezeichnen sei.

Ganz offensichtlich geht es um die sexuelle Praxis der penetration a tergo, des Eindringens von hinten. Im alten Rom hieß diese Art des Geschlechtsverkehrs coitus more ferarum (Geschlechtsverkehr in der Art der wilden Tiere). Das Kama Sutra nennt die Sexposition „Kuhstellung“ oder „Begegnung mit einer Kuh“. Hellenophile erinnern sich gewiss auch Pasiphae, der Gemahlin des kretischen Königs Minos, der Poseidon eine leidenschaftliche Liebe zu einem Stier entfachte. In einem hölzerne Gestell, das mit Kuhhaut verkleidet war, paarte sie sich mit dem Stier. Aus dieser Verbindung ging bekanntlich der Minotaurus hervor, eine kanibalistisch passionierte Chimäre aus Mensch und Stier.

Zurück zu unserem Fucking Gag. Er spielt mit der Doppelbedeutung der pornographisch als „doggy style“ bezeichneten Koitusvariante mit dem „more ferarum“. Es geht also um ein Missverständnis. Der Mann im Witz will es a tergo treiben, die Frau befürchtet den öffentlichen Charakter einer tierischen Paarung.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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