Kein Grund zur Panik

„Guad is gangen, nix is gscheng!“ Als geborene, gelernte und in Ausbildung stehende Österreicher kennen wir den Spruch. Er ist eine der zentralen Befindlichkeitsverortungen des Landes. Allzu oft vom dünnen Eis der anekdotischen Evidenz getragen, verleitet er zu Übermut und Fahrlässigkeit. Aus heimatlicher Kurve sei noch niemand rausgeflogen, heißt es dann bei der Schnellfahrt überland, Lawinenhänge seien nichts für Warmduscher und überhaupt sei jeder wirkliche Spaß lebensgefährlich. „No risk, no fun“ rufen einander die Extremsportler zu, ihre Nachahmer aus dem Breitensport haben das trügerische Diktum längst apportiert,

Das Schicksal dankt den Mutigen nicht immer, zu oft endet die besoffene Discoheimfahrt im Leichenschauhaus. Die Gerüchte vom Ableben der Gefahrsüchtler seien stark übertrieben, hieß es früher, die meisten Zeitgenossen stärben im Bett. Corona hat diesen Argumenteschwurbel eindrucksvoll bestätigt. Discoheimfahrer landen ja tatsächlich im Bett, frischangesteckt im Tanzschupfen-Cluster. Das Bett ist dann eines auf der Covidstation. Wer auf die Intensivstation muss, büßt die vermeintliche Kerngesundheit mit elongiertem Siechtum.

Alles nicht wahr, sagten sich schon früh die Unzerstörbaren aus Oberösterreichs Vierteln und Salzburgs Gauen, Corona-Bettenstationen seien eine Erfindung der Pharma-Mafia. Genesene machten sich für Ungeimpfte stark, für Nasenraushänger und Stichvermeider. Wer einen ordentlichen Rausch überlebt, lautete das Narrativ, dem kann das unordentliche Virus gestohlen bleiben. Oberstelzerreich und Haslauburg erodierten das „Guad is gangen“. Es hieß allerorten nur mehr: „Nix is gscheng!“

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 13. November 2021.

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