Stabil

„Sitzt, passt und hat Luft“ sagen die Österreicher (Österreicherinnen sind immer mitgemeint), wenn etwas Wackeliges soweit zusammengezangelt wurde, dass es nicht beim ersten Ruckler auseinanderfällt. „Sitzt, passt und hat Luft“ ist das höchste aller konstruktiven Gefühle. Genauer geht es nicht. Österreichischer geht es nicht. Dabei ist nicht ganz klar, ob die angesprochene Luft nach oben hin vorhanden ist oder nach unten.

Absolventen von Erste-Hilfe-Kursen kennen die stabile Seitenlage. Wenn Fortlaufen nicht mehr möglich ist, gilt: Liegen ist Sicherheit. Sobald der Ohnmachtsfall eingetreten ist, dreht man die Person mit geübten Griffen in besagte Stabilität, was dann heißt: „Liegt, gibt Ruh und kriegt Luft.“

Unruhigen und Taumelnden wird zur Erreichung von Stabilität vom Stehen abgeraten, auch ihnen wird das Hinlegen empfohlen, oder seine Vorform, das Sitzen (in politischen Angelegenheiten: Das Aussitzen). Selten sehen wir bei Mandataren und Amtsträgern den Sturz, öfter das Darniederliegen, insbesondere aber seine Radikalform: Das Umfallen im Liegen. Zur Verschleierung solchen Unbills (betroffen sind meist die Juniorpartner in Koalitionen) raten Psychologen zur partnerschaftlichen Verschmelzung, insbesondere zum „Zusammenstehen wie eine Eins“, was immerhin erlaubt, dass einzelne Partner auch Nullen sein können.

Aus der Welt des Spiels kennen wir Mikado, den instabilen Stäbchenhaufen. Er ruht nur so lange in sich, bis einer der ludischen Teilnehmer am falschen Stäbchen zieht und der ganze Haufen auseinanderfällt.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 12. Juni 2021.

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