Der österreichische Vorrat

Wer schon mal länger im Ausland lebte, oder Kontakt mit Heimatfernen pflegt, kennt das schmerzliche Verlangen nach der österreichischen Norm-Spezialität: Semmerl, Kipferl, Salzstangerl. In der Rangliste der mitzubringenden Grundnahrungsmittel rangiert die Mannerschnitte unbestritten auf Platz eins, dicht gefolgt von Kremser Senf, Almdudler und bei Kärntnern: Hartwürsteln.

Peter Rosegger bat einst, man schicke ihm Erde aus Steiermark. Moderne Auslandssteirer hungern nach Kernöl, Hadensterz und Käferbohnen. Vorarlberger Expats rufen nach Berg-, Räß- und Surakäs, Tirolern muss man Speck und Graukas in die Ferne bringen und dazu ein Heiligenbildchen mit dem Anderl vom Rinn. Oberösterreicher gieren nach dem Schlierbacher Schlosskäse, und wenn man das olfaktorisch nicht zusammenbringt, muss mindestens ein Zaunerstollen aus Ischl das Heimweh lindern. Hier betreten wir das Feld des Vergänglichen. Die Autorin hat einmal eine riesige Annatorte vom Hofkonditor Demel bis ins ferne South Dakota transportiert. Als lätscherter Kuchen angekommen, war ihr Zauber dahin. Aus ähnlichen Grund muss die Sehnsucht nach Schwedenbomben und Salzburger Nockerl ungestillt bleiben. Auch die Haße kann auf anderen Kontinenten nicht mehr überzeugen: Zu kalt.

In Regionen der Sehnsucht wird uns die Corona-Zeit katapultieren. Es wird lange Zeit kein nachmitternächtliches Fluchtachterl geben, keine Bosna nach Feierabend, den Jagatee werden wir am Morgen einnehmen und Schiwasser abseits aller Pisten. Die Erinnerung an Abendgaudi am Hüttenherd werden ein Paradies sein, aus dem uns Corona nicht vertreiben wird.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 21. März 2020.

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