Siaß, schoaf oda haaß

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 53/2019 zum 19.6.2019.

Liebe Frau Andrea,
im politischen Trubel der letzte Wochen ist mir immer wieder die
Aussage „Ist die aber schoaf!“ untergekommen. Nun bin ich ein wenig
ratlos, ob dieses „schoaf“ eine Schärfe bezeichnet, beziehungsweise,
worauf genau sich diese Schärfe in der fragwürdigen Bezeichnung einer
Person genau bezieht.

Vielen Dank für die Aufklärung. Hochachtungsvoll,
Oliver Movadat, per Email

Lieber Oliver,

in einem gewissen Video eines gewissen Abends auf einer gewissen Insel soll ein gewisser Herr in Gegenwart seines gewiss besten Buddies über eine gewisse Dame den inkriminierten Satz gesagt haben. Es gilt die Lockvogelvermutung. Besagter Herr haderte nach Öffentlichwerdung des Bewegtbilddokuments mit seinem Gewissen und entschuldigte sich bei allen von ihm Wertgeschätzten, inklusive Gemahlin für Ton und Inhalt des Gesagten.

Wie dürfen wir den Satz „„Bist du deppat, die ist schoaf“ bewerten? Beschränken wir uns bei dieser Ermittlung ausschließlich auf das Sprachliche. Das Wienerische kennt Situationen, in denen Entscheidungen getroffen werden müssen. Etwa in der Beziehung zwischen Würstelmann und Würstelstandbesucher, wenn es gilt, die einfache Frage zu beantworten: Siaß oda schoaf? (süß oder scharf?) Gemeint ist in der Regel der Senf, denn in der Pfefferonifrage geht es um die Wahl zwischen den Varianten ölich (ölig) und schoaf. Schoaf ist in der Welt der Wiener Pülcher (Unterweltler) alles, was mit Gewalt verbunden ist. Der Fisch (das Springmesser) ist schoaf, weil gut geschliffen, die Puffn (die Feuerwaffe) ist schoaf, weil geladen und entsichert.

In Analogie dazu ist für den Wiener Macho auch die attraktive Frau schoaf. Obwohl das Wienerische in superlativer Hinsicht auch das Haaße (das Heiße) schätzt, wird die Hochtemperatur nur bei ausgewählten Dingen geschätzt, etwa bei der Burenwurst, (der Haaßn), dem schnittigen Autoreifen (dem haaßn Wödsl), und dem schnellen Motorrad (dem haaßn Eisn). Obschon der Wiener auch in der Wut „haaß“ wird, begehrt er selten den haaßen Hosn (den wütenden Hasen). Lieber ist ihm die schoafe Oide (die scharfe Alte). Geschliffen, Geladen und entsichert.

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert