Sitzpinkeln und Patschenhilfe

Für meine Kolumne ‚FRAGEN SIE FRAU ANDREA‘ in Falter 12/2018 zum 21.3.2018.

Liebe Frau Andrea,
können Sie mir aus der Patsche helfen? Ich wurde als Gast in der Wohnung der Gastgeberin gebeten, bei allfälliger Benutzung der Toilette in jedem Fall die Sitzposition einzunehmen. Ist das jetzt der letzte Stand aus der Benimm-Fibel und somit lege artis?
Danke,
Dietmar Werner, Graz, Wien, von meinem iPhone gesendet
PS: Woher kommt das Wort Patsche?

Lieber Dietmar,

wir wollen vorausschicken, dass das Zusammenleben der Menschen von Vorschriften begleitet wird, die vom Geist des Miteinanders beseelt sind. Härtefälle regelt das Strafrecht und andere legistische Regelwerke. Benimmfibeln könnten Dilemmata wie das von Ihnen vorgebrachte lösen, gleichwohl sind sie selten zur akuten Hand und meist schon bei Erscheinen veraltet. Sehen wir uns ihr Problem an. Als Mann, so lese ich zwischen Ihren Zeilen, verspüren Sie Freiheit im Wunsch, im Stehen zu miktieren. Diese bekannt männliche Selbstverständlichkeit kollidiert mit der Befindlichkeit Ihrer Gastgeberin, die geringes Bedürfnis nach harnnassen Badezimmerfliesen oder angewischerlten Toilettenteppichen hat. Es darf geraten werden, dem gastgeberischen Wunsch zu entsprechen. Hier darf sich der Gast ohne Gesichtsverlust fügen. Wie es ja auch in anderen Fragen der Fall ist. So nehmen Herren erst Platz, wenn er ihnen angeboten wird, warten bei Diners, bis aufgetragen wurde, behalten die Füße unterm Tisch und benehmen sich generell zivilisiert. Für die Überschreitung all dieser und hunderter anderer Verhaltensregeln wurde das Institut des Herrenabends eingeführt.

Die Patsche, aus der ich Ihnen hier helfen darf, erhielt Ihre Nämlichkeit von der lautmalerisch produktiven Konsistenz von Straßenkot. Das Wort ist seit dem 16. Jahrhundert für den klatschender Schlag, den flachen Gegenstand zum Schlagen, die Hand, aber auch den Straßenschmutz, und den Schneematsch in Zirkulation. Beachten wird dazu auch die Zusammensetzungen Patschhand und patschnass. Letzteres zu vermeiden, sollte die Absicht jedes Chevaliers sein, auch wenn er dabei Mittel der Selbstdisziplinierung abrufen muss, wie die Unaussprechlichkeit des Sitzpinkelns. Konzerne werden auch im Sitzen geleitet, meine Herren!

comandantina.com dusl@falter.at Twitter: @Comandantina

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