Das Talent

In Österreich gibt es nur wenige Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen. Man ist Erbe, heiratet gut oder fährt schneller als die anderen zu Tal. In all diesen Disziplinen hat die Leitfamilie des Landes, die Habsburger, weithin gültige Standards gesetzt. Um zu erben, muss man bekanntlich von Familie sein, heißt, einer Sippe angehören, die was zu vererben hat. Ein Königreich, einen Hof, ein Sparbuch. Es empfiehlt sich, Sohn zu sein, schöne Haare zu haben und ein sicheres Auftreten.

Diese Voraussetzungen haben sich auch dem politischen Weiterkommen in der Republik eingeschrieben. Potentaten auf dem Gebiet der österreichischen Politik bestimmen allerdings selten die eigene Leibesfrucht als Erbe, vielmehr wählen sie Talente aus fremder Lendenproduktion, die sie als Nachfolger großziehen und haltlos mit Liebe und Vorschuß-Lorbeeren überhäufen. Hannes Androsch war ein solcher Kronprätendent, er hatte schöne Haare, ein sicheres Auftreten und einen Wahlvater, der die Absolute zu vererben hatte: Bruno Kreisky. Der Erbprinz geriet allerdings nicht nach des Sonnenkönigs Fasson und ging schliesslich eigene Wege. Ins Licht der Landesgeschichte trat ein Goiserer Schusterbub: Jörg Haider. Selbst noch jung, scharte er unmündige Maulhelden um sich und erkannte schon früh ein Schönhaartalent: Den Selbstliebhaber Karl-Heinz Grasser. Noch bevor sich Haiders Sonne dem Untergehen näherte (Akuterbe war zuletzt der haarlose Soliariumheld Petzner), warf sich Grasser einem Anderen als Erbe an den Hals: Wolfgang Schüssel, Prior des homoerotisch mobilisierbaren Flügels in der Volkspartei. Den Ausgang dieser Sukzession fasst ein Liebesbrief aus dem Volk zusammen: „Sie sind für diese abscheuliche Neidgesellschaft zu jung als Finanzminister gewesen, zu intelligent, zu gut ausgebildet, aus zu gutem wohlhabenden Haus, zu schön und was für alles der Punkt auf dem “i” ist: auch noch mit einer schönen und reichen Frau verheiratet.“

Das verstreute Erbe des furchengehenden Österreichs soll nun ein anderer antreten: Der junge Mann, den sie das “Jahrhunderttalent” nennen. Basti.

Andrea Maria Dusl. Für meine illustrierte Kolumne in den Salzburger Nachrichten vom 14.1.2017.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert